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in Teil 1 meines Artikels konnten schon einige Fragen zum Thema Flüssigkeitshaushalt geklärt werden, eher aber in Richtung Ermittlung des notwendigen Bedarfs und was mit einer Dehydrierung in Sachen sportliche Leistung zu erwarten ist.
Zuviel des Guten – Was passiert, wenn man über den Durst trinkt? Teil 1
Heute widme ich mich einer Frage, zu der es weit weniger einschlägige Literatur und Untersuchungen gibt. „Kann man auch zu viel trinken“? Diese Fragestellung kommt besonders in der Fitnessszene und im Bodybuilding ganz stark auf. Hier gilt viel trinken als Muss und da es in der Natur des Bodybuilders liegt, gerne etwas zu übertreiben, werden hier Flüssigkeitsmengen aufgenommen, die über das „normale“ Maß deutlich hinausgehen. Auch zum Diätende nutzen viele gerne größere Flüssigkeitsmengen, um sich damit eine kurzfristige Sättigung zu verschaffen. Ob diese Maßnahmen bedenkenlos durchgeführt werden können, oder ob es auch beim Trinken ein „zu viel“ gibt, sehen wir heute.
Zuviel des Guten – Geht das überhaupt?
Osmolarität – Teilchen und Elektrolyte
Um diese Frage zu klären, müssen wir zur reinen Flüssigkeitsaufnahme zusätzlich das Thema Elektrolytversorgung und Elektrolytgleichgewicht sowie Osmolarität mit aufgreifen. Unter Osmolarität versteht man die Konzentration osmotisch (aktiv) wirksamer Teilchen in einer Lösung bezogen auf die Masse. Klingt sehr wissenschaftlich und kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht. Wichtig zu wissen ist, dass wir mit verschiedenen Flüssigkeiten verschiedene Lösungen aufnehmen, deren Teilchenkonzentration der unseres Blutes entweder stark ähnelt (isoton), sie übersteigt (hyperton) oder geringer als sie ausfällt (hypoton). Je näher die Teilchenkonzentration der des Blutes kommt, desto schneller kann die Flüssigkeit vom Verdauungstrakt ins Blut weitergegeben werden. Ist die Teilchenkonzentration zu hoch, muss erst Wasser in den Magen-Darm-Trakt abgezogen werden, um die Lösung isoton zu machen. Dies erfordert Zeit und kann für Verstimmungen sorgen, besonders in Wettkampfsituationen. Eine zu niedrige Teilchenkonzentration ermöglicht zwar eine schnelle Aufnahme, kann aber im Blut für ein Ungleichgewicht bei Elektrolyten sorgen, welches der Körper versucht wieder auszugleichen. Prinzipiell kann man sagen, dass es von Vorteil ist, den Flüssigkeitsbedarf im inaktiven Zustand über hypotone Flüssigkeiten abzudecken, zu denen mitunter Wasser zählt.
Die Teilchenkonzentration einer Flüssigkeit entscheidet über den Resorptionsaufwand unseres Verdauungssystems.
Das Dilemma
Je länger eine körperliche Belastung andauert, desto eher führt dies in Verbindung mit den genannten Mehrverlusten an Flüssigkeit auch zu einer verstärkten Ausscheidung von Elektrolyten (Teilchen), weshalb hier die Notwendigkeit besteht, isotone Flüssigkeiten aufzunehmen, um beides auszugleichen. Zu Beginn einer Belastung besteht generell eher die Notwendigkeit des Ausgleichs reiner Wasserverluste. Je länger die Belastungen andauern, desto mehr sind auch Elektrolytkonzentrationen und deren Verschiebungen ein kritisches Thema. Der Verlust von Natrium kann bei intensiver körperlicher Belastung pro Stunde sogar Werte von 30% des Gesamtplasmanatriums erreichen. Ein Natriumverlust von 20 – 25% führt zu Schwäche, Müdigkeitsgefühl, Muskelkrämpfen und Kreislaufstörungen bis hin zum Kollaps.
Interessant
Häufiges Training führt trotz vermehrter Schweißverluste zu einer reduzierten Ausscheidung von Natrium – ein Adaptionseffekt unseres Körpers!
Die Beigefügte Darstellung zeigt die „normale“ Elektrolytkonzentration unseres Schweißes:
Abhängig vom Trainingszustand verändern sich die Eigenschaften unseres Schweißes hin zu einer verstärkten Ausscheidung Elektrolyten.
Hypotone Hyperhydration
Exzessives Trinken von insbesondere hypotonen Getränken kann zu einer hypertonen Hyperhydration (Wasservergiftung) führen, da zum einen vermehrt teilchenarme Flüssigkeit aufgenommen wird und zudem Teilchen (Elektrolyte), wie oben beschrieben, vermehrt über den Schweiß ausgeschieden werden. Als Beispiele für hypotone Flüssigkeiten können Mineralwasser, Mischungen aus Wasser mit Frucht- und Gemüsesäften in Verhältnis 1:3 – 1:5, Molkegetränke oder Kräuter- sowie Früchtees genannt werden.
Die Symptomatik einer hypotonen Hyperhydration unterscheidet sich dabei von denen der Dehydration zumindest in einigen Punkten. Dies zeigt beigefügtes Schaubild:
Bei einer Hyperhydration kommt es zu Schwindel, Desorientierung, Ödembildung in den Extremitäten (generell einem vermehrtem Auftreten von Wasser im Körper), steigendem Kopfschmerz und einer Gewichtszunahme. Auf Seiten der sportlichen Leistung kommt es zu einem herabgesetzten Sauerstoffausgleich und generell abfallendem Energielevel.
Neben Missverhältnissen ausgelöst durch Sport, kommt es gerne auch bei heißem Wetter zu Erbrechen, Durchfall oder auch bei der exzessiven Aufnahme von Wasser im Rahmen von Reduktionsdiäten zur Symptomatik der hypotonen Hyperhydration. Von Nierengesunden kann ein derartiger Zustand zumindest kurzfristig ausgeglichen werden. Dauerhaft werden sich bei exzessiv erhöhter Aufnahme hypotoner Flüssigkeit dennoch auch hier Verhältnisse einstellen, die renal nicht mehr kompensiert werden können.
Interessant
Auch eine Aufnahme kleiner Mengen destilliertem Wasser ist erst einmal unschädlich.
Interessant
Hypotone Hyperhydration kann tödlich sein! Es existiert ein dokumentierter Fall vom Chicago Marathon 1998! Man geht davon aus, dass ein Großteil der Ausdauersportler im Rahmen eines Wettkampfes zuviel bzw. bzw. falsch trinkt.
Ein Ungleichgewicht zwischen den Aufkommen an Elektrolyten und Flüssigkeit kennzeichnet die hypotone Hyperhydration.
Was ist Hyperhydration
Generell spricht man von Hyperhydration bei einer Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes, die in einer verstärkten Einlagerung von Wasser im Organismus resultiert. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von kurzzeitig belastenden Lebensumständen, über Nierenversagen oder hormonelle Störungen (auch eine Steroid-Therapie!), Hyperaldosteronismus (ein Hormon, welches den Wasserhaushalt steuert) bis hin zu chronischen Erkrankungen oder einer Herzschwäche, durch welche die Nieren nicht mehr die nötige Filtrationsrate erreichen. In der Folge werden zu wenig überschüssiges Wasser und auch zu wenig Natrium ausgeschieden.
Während bei der hypotonen Hyperhydration, wie oben beschrieben, zu wenig Salz zu viel Flüssigkeit gegenüber steht, handelt es sich bei der hypertonen Hyperhydration um ein Überaufkommen an Natrium (Salzvergiftung), wie es selten bei der überhöhten Aufnahme stark salzhaltiger Getränke auftritt. Bei der hypertonen Hyperhydration werden unseren Zellen die Flüssigkeitsbestände geraubt und in den extrazellulären Raum verschoben. Bei der isotonen Hyperhydration sind Wasser und Elektrolyte im Gleichgewicht.
Interessant
Hypertone und Hypotone Hyperhydration lassen sich via BIA diagnostizieren, da es in beiden Fällen zum einen zu einer deutlichen Erhöhung von TBW (Total Body Water) und zum anderen zu einem deutlich verschobenen Verhältnis von ECW (Extrazellulärem Wasser) zu ICW (Intrazellulären Wasser) kommt.
Es ist möglich, auf mehrere Arten „hyperhydriert“ zu sein. Für Sportler besteht besonders die Gefahr der hypotonen Hyperhydration.
Wann ist man gefährdet?
Ein erhöhtes Risiko auf eine hypotone Hyperhydration besteht in Verbindung mit Sport besonders bei Frauen, langen Belastungszeiten, einem schlechtem Trainingszustand und der damit verbunden erhöhten Ausscheidungsrate von Natrium und natürlich bei schlechten Getränkezusammensetzungen. Wer pro Tag mehr als drei Liter Wasser über Schweiß verliert. der muss sich ebenfalls vermehrt um Natriumausgleich bemühen und gehört somit auch zur Risikogruppe, da es ab dieser Menge im Magen-Darm-Trakt zu einem vermehrten Wasseraustausch kommt.
Generell besteht sowohl bei Über- aber auch Untergewichtigen ein erhöhtes Risiko einer hypotonen Hyperhydration. Wer über längere Zeit auch ohne Sport größere Mengen Wasser ohne gleichzeitig kompensierende Mengen Salz zu sich nimmt, der zählt ebenfalls zu den Personen mit erhöhtem Risiko, ebenso wie Personen bei einer eingeschränkten renalen Kapazität.
Fazit
Wer bei eigentlich „ausreichender“ Trinkmenge, heißem Wetter oder viel Sport schnell Schwindel oder Übelkeit zu beklagen hat, der sollte eine angehende oder akute Wasservergiftung in Erwägung ziehen.
Wie viel ist zuviel?
Drei Fragezeichen und eine Studie
Die Frage nach dem „wie viel ist zuviel“ ist in der Tat schwierig zu beantworten. Die einzig fundierte Quelle, die ich hierzu gefunden habe, stammt von der Universität in Basel. Hier untersuchte man das Verhalten der Nieren bei akuter hypotoner Hyperhydration im Tiermodell. Im Versuch wurde festgestellt, dass es durch langsame Überwässerung des Organismus in Verbindung mit der mangelnden Aufnahme an Salz zur Salzmangelkrankheit (Hyponatriämie) kommt. Nimmt man akut große Mengen Flüssigkeit zu sich, kann es zur sog. Wasservergiftung kommen. Beide Diagnosen verheißen weder in Sachen Gesundheit, noch in Sachen Leistungsfähigkeit Gutes für den oder die Betroffenen.
Eine salzfreie Überwässerung führte bei einem Teil der Versuchstiere zu einer vorübergehend signifikant verstärkten Diurese, die später aber abflachte, obwohl weiterhin Flüssigkeit zugeführt wurde. In diesem Zusammenhang stieg das Gewicht der Versuchstiere stetig an. Die Hämatokritwerte waren interessanterweise auch bei hoher Flüssigkeitsmenge nicht stark verändert, was darauf hindeutet, dass der Körper den Wasserüberschuss aus dem Blut ins Gewebe abtransportiert. Über das mittlere Erythrozytenvolumen konnte eine Zunahme der intrazellulären Flüssigkeit herausgestellt werden. Der Rückgang an Natriumionen im Extrazellulärraum war signifikant, während sich die Plasmamenge an Kalium leicht erhöhte, da dieses anscheinend aus den Zellen ausgetreten war (ein Zustand, der einen Leistungseinbrauch wahrscheinlich macht). Die Nieren selbst nahmen signifikant an Volumen bzw. Feuchtigkeit zu (6%). Der Vollständigkeit halber muss man erwähnen, dass im Versuch Wassermengen verwendet wurden, die für den Menschen wahrlich unphysiologische Mengen darstellen (8-12 Liter)
Zumindest im Tiermodell ist belegt, dass unser Organismus ab einer bestimmten Flüssigkeitsmengen aus der Homöostase fällt.
Was lässt sich daraus nun ableiten?
Fest steht, dass unser Körper mit größeren Mengen Flüssigkeit irgendwann nicht mehr klar kommt und dass es dabei immer um ein Wechselspiel zwischen aufgenommener Flüssigkeit und Elektrolyten, insbesondere Natrium geht. Im Bodybuilding sind hohe Mengen Flüssigkeit an der Tagesordnung, weil man damit einer erhöhten Harnsäurebelastung aufgrund proteinreicher Ernährung entgegenwirken möchte. Auch in Sachen Creatin lautet die oberste Regel „Immer genug trinken“, da es sonst zu erhöhten Werten beim Abbauprodukt Creatinin kommt. Da es keine Kalorien hat, empfehlen Experten für Sportler und insbesondere diätende Bodybuilder die Aufnahme von reinem Mineralwasser (einer hypotonen Flüssigkeit). Ein weiteres, ungeschriebenes Gesetz im Bodybuilding ist die salzarme Ernährung. Irgendwelche Gurus der Steinzeit haben ihrerseits damals Salz zum Feind erklärt, da es die Fähigkeit besitzt, Wasser im Körper zu binden. Diese Eigenschaft wird Natrium auch heute noch zur Last gelegt und sorgt so auch in der heutigen Zeit noch zu absurden Empfehlungen einer salzarmen Ernährung. Fügt man nun 1 und 1 zusammen, haben wir genau das, was wir eigentlich nicht wollen:
- eine vermehrte, unphysiologische und oftmals nicht mehr bedarfsgerechte Aufnahme von Flüssigkeit
- eine gleichzeitig verminderte Aufnahme von Natrium
Schon beinahe Gott sei Dank schwitzen wir Bodybuilder beim Training nicht sehr stark, sonst wären die Fälle akuter hypotoner Hyperhydration schon weitaus häufiger und man würde derartige Empfehlungen gar nicht mehr aussprechen. Was an dieser Stelle aber wieder wichtig wird, ist die Aussage unserer Studie zur schleichenden Überwässerung und der damit verbundenen eintretenden Hyponatriämie, die für Betroffene alles andere als positiv ausfallen wird.
Fazit
Gängige ungeschriebene Gesetze im Bodybuilding fördern dauerhaft eine sich einschleichende hypotone Hyperhydration.
Resümee
Unterm Strich hätte ich in meinem Artikel sehr gerne eine handfest Aussage getroffen, wann wir denn „zu viel“ Flüssigkeit aufnehmen, dies bleibt mir zum heutigen Zeitpunkt aber leider verwährt. Fest steht, dass wir von deutlich bedarfsübersteigenden Mengen Wasser keinerlei Vorteile zu erwarten haben, sondern uns damit eher in einen gefährlichen Bereich manövrieren können. Wer seinen Flüssigkeitsbedarf anhand der aufgeführten Bestimmungsmöglichkeiten in Teil 1 errechnet und HIER noch eine Gewissensreserve von maximal einem halben Liter dazu gibt, sollte damit an der absoluten Obergrenze angekommen sein. Ebenso wichtig, wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ist IMMER auch die dazu passende Aufnahme von Elektrolyten insbesondere Natrium.
Mit sportlichen Grüßen
Ihr
Holger Gugg
Quellen
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Experimenteller Beitrag zum Verhalten der Nieren bei akuter hypotoner Hyperhydration – Pathologisch-Anatomische Anstalt der Universität Basel - 1962