Protein ist wichtig!
Diese Information ist folgerichtig und sollte inzwischen bei jedem Menschen, der Wert auf einen gesunden, leistungsstarken Körper legt, angekommen sein.
Steigt man etwas tiefer in die Materie ein, wird es aber schon schwierig. Man betritt die Welt der Protein Mythen, die es zu vermeintlichen positiven, vor allem aber zu negativen Effekten von Protein zuhauf gibt.
Vier dieser Mythen werden wir im heutigen Beitrag aufgreifen und aufklären.
MYTHOS 1
Protein über RDA-Empfehlung schadet den Nieren.
Einer der hartnäckigsten Mythen zu Protein besagt, eine höhere Zufuhr (über RDA) würde Nierenschäden verursachen oder Nierenversagen begünstigen.
Es gibt ältere Studien, die über ein erhöhtes Risiko für Mikroalbuminurie, Nierenerkrankungen, erhöhter glomerulärer Filtrationsrate (GFR) und Stickstoffausscheidung im Urin berichten.
Brenner et al. haben vermutet, dass diese schädlichen Auswirkungen einer übermäßigen Proteinzufuhr das Ergebnis eines erhöhten glomerulären Drucks und einer Hyperfiltration sind (1 - 3).
Strittig ist die richtige Einnahmemenge von Protein für Nierenkranke, wobei „richtig“ sowohl im Kontext von „notwendig“ als auch von „unschädlich“ zu betrachten ist (4).
Forschung an gesunden Menschen zeigt, dass eine höhere Proteinzufuhr nicht mit negativen Auswirkungen auf die Nierengesundheit einhergeht. Bei Antonio et al (5) nahmen widerstandstrainierte Männer über 8 Wochen eine Ernährung ein, die bis zu vier Mal mehr Protein lieferte als via RDA empfohlen wird (d. h. 2,6 bis 3,3 g Protein pro kg Körpergewicht).
Nach einer nächtlichen Fastenphase wurden Blutproben bei drei verschiedenen Gelegenheiten entnommen.
Die Nierenfunktion wurde mit Labortmarkern wie Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN), Globulin und dem Albumin/Globulin- Verhältnis bewertet. Weder in den Gruppen mit normalem, noch mit hohem Proteingehalt wurden Veränderungen festgestellt. Serumkreatinin, geschätzte GFR, BUN/Kreatinin-Verhältnis, Globulin und Albumin/Globulin blieben allesamt im normalen Bereich.
Eine Folgestudie (6) untersuchte mögliche unerwünschte Wirkungen einer 2-jährigen proteinreichen Diät mit einer durchschnittlichen Proteinzufuhr der Probanden von 3,5 g pro Kilogramm Körpergewicht. Ausgehend von den Laborwerten der Gruppe (d. h. Glukose, BUN, Kreatin, eGFR, ALT und AST) zeigte die High-Protein Ernährung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Leber- und Nierenfunktion.
Poortmans et al. (7) maßen die Albumin-Ausscheidungsrate, den Stickstoff- und Kalziumhaushalt sowie die GFR bei männlichen Sportlern die normalerweise mehr als 1,35 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen.
Die Albumin-Ausscheidungsraten und eGFR lagen trotz höherer Serum-Kalziumkonzentrationen im Normalbereich.
Ähnlich berichteten Knight et al. (4) über keine Veränderungen der eGFR bei gesunden Frauen mit höherer Proteinzufuhr.
Die Studien bestätigen, dass eine höhere Proteinzufuhr die Nierenfunktion bei gesunden Personen nicht beeinträchtigt.
Einige Studien berichten zwar über Veränderungen der eGFR, die jedoch auf die natürliche Reaktion der Nieren zurückgeführt werden (8). Bei gesunden Menschen sind Veränderungen der GFR eine normale Reaktion des Körpers auf einen Anstieg des Nahrungsproteins und nicht Marker eines erhöhten Risikos für Nierenkomplikationen.
Eine höhere Proteinzufuhr beeinträchtigt die Nierenfunktion bei ansonsten gesunden Menschen nicht.
MYTHOS 2
Erhöhte Proteinzufuhr schadet der Knochengesundheit.
Eine weit verbreitete Behauptung sieht eine hohe Proteinzufuhr als Auslöser negativer Auswirkungen auf die Knochengesundheit.
Die Säure-Basen-Theorie legt nahe, dass schwefelhaltige Aminosäuren ein saures Milieu im Körper schaffen (9). Im Bemühen, eine Homöostase aufrechtzuerhalten, zieht der Körper Kalzium aus den Knochen ab, welches als Puffer fungiert.
Studien legen tatsächlich nahe, dass eine längerfristige Abhängigkeit von Knochenmineralstoffen zur Abpufferung des sauren Milieus zu einer geringeren Knochenmineraldichte (BMD) und einer höheren Inzidenz von Knochenbrüchen führen können (10 - 12).
Auf der anderen Seite ist eine angemessene Proteinzufuhr nachweislich notwendig für die Entwicklung und den Erhalt der Knochengesundheit (13, 14). Studien haben zudem gezeigt, dass eine höhere Proteinzufuhr der Knochengesundheit nicht schadet (8, 15 - 17).
Bei diesem Thema studiert die Wissenschaft ein klein wenig an sich selbst vorbei. Beide getroffenen Thesen können im Kontext einer erhöhten Säurelast und einem Einfluss auf die Knochengesundheit richtig sein:
- Protein ist ein wichtiges Bindeglied für Entwicklung und Erhalt von Knochensubstanz.
- Erhöhte Säurelast, ausgelöst durch ein insgesamt unausgewogenes Ernährungsmuster samt aller anderen Faktoren, die die gesamte Säurebelastung beeinflussen, kann dazu führen, dass Mineralstoffe vermehrt als Puffer aus dem Knochen ausgelöst werden müssen.
Die Einnahme von Protein ist hier eines von vielen Puzzleteilen, wenn es darum geht, eine Korrelation zwischen dem Säure-Basenhaushalt und der Knochengesundheit herzustellen.
Erhöhte Proteinzufuhr schadet nicht zwangsläufig der Knochengesundheit, sofern sie Teil eines gesamtheitlich ausgewogenen Ernährungskonzepts im Sinne des Säure-Basenhaushalts ist.
MYTHOS 3
Überschüssiges Protein wird als Fettmasse gespeichert.
Eine Vielzahl an Studien belegt den Nutzen von Protein für eine Gewichtsabnahme oder aber den Zuwachs an fettfreier Masse (21, 22).
Dennoch gibt es auch Studien, die aufzeigen, dass erhöhte Proteinaufnahme in der Lage ist das Körpergewicht zu steigern. Beobachtet wurde dies in einer Kohortenstudie unter Ermittlung der Proteinaufnahmemenge in % der Gesamtkalorien (unter 15 %, 15 - 20 %, über 20 %), in einer Beobachtungsstudie, die einen solchen Zusammenhang hauptsächlich für tierische Proteine feststellte, oder in einer Untersuchung die einen Zusammenhang nur feststellte, wenn Protein durch Kohlenhydrate, nicht aber durch Fette ersetzt wurde (18 - 20).
Die Antwort auf die Ausgangsfrage findet sich in Studien, wie denen von Antonio et al (21), in der widerstandstrainierte Männer 6 Monate lang eine Diät mit normaler Proteinmenge und 6 Monate lang mit höherer Proteinmenge samt Kalorienerhöhung um 400 kcal verabreicht bekamen.
Trotz der proteinbedingten Kalorienerhöhung nahmen die Probanden nicht an Fettmasse zu. Bei hypokalorischen Diäten wirkt sich eine proteinreiche Kost durchweg positiv auf die Körperzusammensetzung aus. In einigen Studien weist man proteinreichen Diäten mehr Fettverlust bei gleichzeitig besserem Erhalt fettfreier Masse nach (23, 24).
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine erhöhte Proteinzufuhr die Zunahme fettfreier Körpermasse sowohl bei hypo- als auch bei hyperkalorischen Diäten fördert und nicht zwangsläufig in einem Aufbau von Fettmasse resultiert.
MYTHOS 4
Mit einer Mahlzeit können nur 30 g Protein aufgenommen werden.
Eine Vielzahl unterschiedlichster Veröffentlichungen stellt die These auf, der Körper könne maximal 30 g Protein pro Portion aufnehmen. Alles darüber hinaus wird entweder ausgeschieden, zur Energiegewinnung herangezogen oder als Fett gespeichert.
Bezogen auf die Maximierung der Proteinsynthese haben frühere Studien gezeigt, dass 20 bis 30 g pro Portion den maximalen Nutzen bieten (25, 26). Dies wird inzwischen mindestens über den Faktor Alter relativiert.
Wird viel Protein auf einmal konsumiert, steigt der Proteinumsatz, eine größere Menge Stickstoff wird zurückgehalten und mehr Aminosäuren, insbesondere Leucin, werden oxidiert. Eiweiß wird in Aminosäuren zerlegt und kann dann in verschiedene Stoffwechselwege im Körper gelangen.
- Ein Überschuss kann über den Vorgang der Gluconeogenese zu Stoffwechselsubstraten wie Glukose umgewandelt werden.
- Andere körpereigene Proteinverbindungen sowie Transportproteine können aus Aminosäuren synthetisiert werden.
Von einem evolutionären Standpunkt gesehen dürfte es sich bei der „30 g pro Portion“ Behauptung um ein Irrtum handeln. Bei den Jägern und Sammlern und sogar bei den Menschen in der Altsteinzeit war Nahrung ein knappes und nur saisonal verfügbares Gut. Dies führte dazu, dass man zu Zeiten vermehrter Verfügbarkeit wesentlich mehr gegessen hat, um für Zeiten einer Nahrungsknappheit besser gerüstet zu sein.
Schätzungen gehen in der Altsteinzeit von einer Proteinaufnahme mit etwa 2,5 g pro Kilogramm Körpergewicht und Tag zu Zeiten erhöhter Nahrungsverfügbarkeit aus (27 - 29).
Es gibt keine Beweise dafür, dass der Mensch nur eine Höchstmenge von 30 g Protein mit einer Mahlzeit aufnehmen kann. Vermutungen legen nahe, dass man eine „optimale“ Verabreichung von Protein im Sinne der Ausschöpfung der Proteinsynthese mit der „maximal möglichen“ Aufnahmemenge pro Portion verwechselt hat und so dieser Protein Mythos entstanden ist.
Quellen
(1) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/7731172/
(2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14993863/
(3) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/7050706/
(4) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12639078/
(5) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26778925/
(6) https://www.researchgate.net/publication/323257734_Case_reports_on_well-trained_bodybuilders_Two_years_on_a_high_protein_diet
(7) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10722779/
(8) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25979491/
(9) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29690515/
(10) https://www.mdpi.com/2072-6643/10/4/517
(11) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15546911/
(12) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12612169/
(13) https://www.researchgate.net/publication/279064249_Chapter_4_Bone_Modeling_and_Remodeling
(14) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28686536/
(15) https://jissn.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12970-018-0210-6
(16) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15546911/
(17) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28003538/
(18) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25886710/
(19) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21139559/
(20) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24942843/
(21) https://www.researchgate.net/publication/309026102_A_High_Protein_Diet_Has_No_Harmful_Effects_A_One-Year_Crossover_Study_in_Resistance-Trained_Males
(22) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22215165/
(23) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16046715/
(24) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26817506/
(25) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23459753/
(26) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19056590/
(27) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10702160/
(28) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8648449/
(29) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9104571/