Zwei äußerst informative Beiträge mit tiefen Einblicken in meine Gedanken zum Thema Wettkampfdiät liegen bereits hinter uns. Gratulation an alle, die sich auch heute wieder an Teil 3 heranwagen, denn heute geht es um die wirklich heiße Phase einer jeden Wettkampfdiät. Die letzten 8 Wochen liegen vor uns und gerade jetzt wird es nochmals sehr spannend, zu erfahren, welche Veränderungen aus nutritiver aber auch aus psychologischer Sicht zu treffen sind, um am Tag X in absoluter Bestform zu glänzen.
Steigen wir ein!
Die letzten 8 Wochen vor dem Wettkampf
Über Stress, Objektivität und Vertrauen
Je weiter die Diät voranschreitet, desto weniger sehen Athleten sich selbst mit der eigentlich notwendigen Objektivität. Erfahrene Athleten kennen sicher auch das Szenario:
- Morgens fühlt man sich klasse
- Mittags fühlt man sich zu dünn
- Gegen Abend fühlt man sich zu fett
Was sich in der Tat lustig liest und über was sich im Nachhinein auch immer wieder schmunzeln lässt, stellt in Wirklichkeit ein klares Warnsignal für eine Essstörung dar. Wer essgestört ist, der verliert Objektivität sich selbst gegenüber. Diese Feststellung ruft nun einige notwendige Schritte auf den Plan. Der Wichtigste von allen ist wohl, Athleten gerade in diesem letzten Abschnitt wöchentlich mit Feedback zu versorgen und ansonsten für sie da zu sein, wenn sich eine kleine „Self-Made-Form- Krise“ anbahnt. Glaubt mir, ich weiß selbst, wovon ich spreche, denn auch ich musste mir von vertrauten Personen in dieser Zeit schon den Kopf waschen lassen. ? Neben der völligen Entgleisung des Essverhaltens stellt auch Stress (auch genannt „Hirn-Fick“) ein großes Problem dar. Ein Spruch, den sich schon viele Wettkampf-Athleten von mir anhören mussten, lautet:
„Wenn dein Kopf nicht mitspielt, dann können wir essen und trainieren wie wir wollen“! – und GENAU SO ist es auch!
Klare Aufgabe in den letzten Wochen der Vorbereitung ist es also, Athletinnen und Athleten immer exakte und konkrete Ansagen bzgl. Ernährung und Training zu machen. Aller psychischer Stress der sich aus der Planung von Ernährung und auch Training ergibt, muss herunter von den Schultern des Athleten! Wenn du dann einen Athleten hast, der in der Lage ist, ZU FUNKTIONIEREN, dann wird die Diät auch jetzt ganz hervorragend verlaufen. Athleten, die es nicht schaffen, abzuschalten und zu vertrauen, haben mehr und mehr ein Problem.
ABSOLUTES NOGO
Nicht selten erhält man als Wettkampf-Coach Mails von Schützlingen anderer Betreuer, die sich um eine zweite, dritte und vielleicht auch vierte Meinung bemühen. Für mich ein absolutes No-Go! Insbesondere dann, wenn im Verlauf des Gesprächs dann Aussagen kommen wie „ich vertraue meinem Coach … ABER“. Ein „aber“ an dieser Stelle der Wettkampfdiät ist ein KO-Kriterium, lasst Euch das gesagt sein, darum gibt es hier gleich noch eine weitere Weisheit von mir: „Viele Köche verderben den Brei“ – IHR seid der Brei!
Fazit
Die wichtigsten Regeln für diese Phase der Wettkampfdiät lauten:
• Intensivere Betreuung
• Konkrete Vorgaben
• Vertrauen
Was? Du bist schon fertig?
Große Fehler werden in meinen Augen auch von erfahrenen Persönlichkeiten der Szene in Sachen Diätplanung betrieben. Mit dem Einzug von Facebook, Instagram und Co. sehen sich etliche Athletinnen und Athleten berufen, regelmäßig über deren Fortschritte zu berichten. Jeder soll darüber seine Meinung haben. Was mir immer wieder auffällt, sind Postings mit eigentlich bereits „bühnenfertigen“ Athleten schon 4 oder 6 Wochen vor deren erster Meisterschaft.
Eine besonders tolle Leistung? – NEIN – besonders schlecht getimt würde ich sagen!
Ziel einer Wettkampfdiät ist es nicht, unter allen Facebook-Freunden der erste zu sein, der in Shape ist, sondern am Tag X UND DARÜBER HINAUS alles an fettfreier Masse und Form zu halten, die man sich zuvor erarbeitet hat. Ausgenommen bei kleineren Verbänden, die möglicherweise nur einen nationalen Wettkampf pro Saison ausrufen, bieten größere Verbände im Laufe einer Saison etliche Möglichkeiten, sich zu präsentieren. Oftmals muss man sich sogar auf regionalem Niveau für weiterführende Wettkämpfe qualifizieren. Unterm Strich dauert eine Wettkampfsaison vom ersten bis zum letzten Wettkampf gut und gern 6 bis 8 Wochen. 6 bis 8 Wochen, die zusätzliche Diätwochen unter absoluten Ausnahmebedingungen für den Athleten oder die Athletin bedeuten und 6 bis 8 Wochen, in denen die Chance auf einen Verlust an Muskelmasse stetig größer wird (31).
Gutes Timing bedeutet also nicht, möglichst schnell „fertig“ zu sein, sondern „auf den Punkt“ fertig zu sein. Was ich beschrieben habe, gilt auf der anderen Seite natürlich auch für das „zu spät“. Wer falsch timt und denkt, sich auf anfänglich guten Fortschritten ausruhen zu können, der findet sich möglicherweise irgendwann an dem Punkt wider, an dem „zu wenig Zeit für zu viel Fett“ übrig bleibt. Die Folge – Extreme Diätbemühungen – Extreme Vorgaben bei Cardio und damit wieder eine riesen Chance auf Muskelmasseverluste im Kilogrammbereich (31).
Fazit
TIMING lautet das Zauberwort einer jeden Wettkampfdiät. Insbesondere in der letzten Phase einer Vorbereitung geht es vermehrt um den Erhalt fettfreier Masse. Ermöglicht wird dies, in dem man als Athlet oder Athletin nicht „zu früh“ aber auch nicht „zu spät“ dran ist.
Die letzte Woche – Der Tag X
Wer in dieser Woche noch an seinem Köperfettgehalt arbeiten muss, der hat den Zug verpasst! Die letzte Woche vor dem Tag X dient dem Feintuning sowie den letzten kleinen Rädchen, die man noch zu drehen versucht, um Athletinnen und Athleten den letzten Schliff zu verpassen. PEAK-WEEK – so wird die letzte Woche vor dem Wettkampf genannt. Interessanterweise findet sich gerade zu diesem komplexen Zusammenspiel aus Dehydration, Carb-Loading und Natrium-Management nur extrem wenig Evidenz, auf die man zurückgreifen könnte, aber auch die sich für signifikante Effekte einer PEAK-WEEK ausspricht. In meinen Augen auch absolut verständlich, da sich allgemeingültige Aussagen zu einer funktionierenden PEAK-WEEK nicht guten Gewissens ausgeben lassen (auch wenn immer wieder Foren und BLOGs versuchen, Leser und Reichweite durch derartige Pläne zu gewinnen).
Die Aufgabe für Coach und Athlet besteht darin, zunächst die Sinnhaftigkeit von Aufwässern und Entwässern individuell zu testen. Erlebt habe ich beides schon – einmal wirklich exzellente Veränderungen, andererseits aber auch enttäuschende Ergebnisse, bei denen man sich die Frage stellt, ob es richtig war, den Athleten oder die Athletin 10, 11 und mehr Liter Wasser zu trinken zu geben, was sicher sehr belastend ist -- EINE REIN INDIVIDUELLE ENTSCHEIDUNG
Gerade in Klassen, wo es um möglichst pralle Muskeln geht, spielt das Thema Carb-Loading eine große Rolle. Bodybuilding zweckentfremdet diese eigentlich aus dem Ausdauersport stammende Vorgehensweise nicht, um damit die Performance zu steigern, sondern um eben möglichst pralle Muskeln auf der Bühne präsentieren zu können. An Methoden und Maßnahmen gibt es auch hier letztlich nichts, dass es nicht gibt. Aus Studien weiß man, dass schon binnen 24 Stunden gefolgt von einer Entleerungsphase eine vollständige supraphysiologische Befüllung von Glykogenspeichern möglich ist (28). Die dafür nötige Menge bewegt sich im Bereich von 10 bis 12g Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht (29). Wenngleich Pedersen et al mit hohen Mengen arbeiteten, zeigten die Forscher in deren Untersuchung zudem, dass sich Carb-Loading mit dem Einsatz von Koffein sogar noch weiter potenzieren lässt (30). Inwieweit man das Carb-Loading nun auf 2 oder sogar 3 Tage vor dem Wettkampf aufteilt, hängt wieder vom Einzelfall ab, insbesondere von der Verträglichkeit und damit von der Beschaffenheit des Verdauungstraktes. Komplette High-Carb-Wochen sind jedenfalls sicherlich ebenso unnötig, wie es die Carbs sind, die von den Athleten immer noch zu Hauf direkt am Tag des Wettkampfs verzehrt werden –TIMING-FEHLER! Seht Euch dazu auch meinen Clip an!
Abschließend noch ein Rat, den ich heute nicht das erste Mal allen aktiven Athletinnen sowie Athleten aber auch Coaches erteile: Kümmert Euch um Re-Dieting! In meinem Artikel aus der FLEX Ausgabe Juni 2016 habe ich mich diesem Thema ausführlich angenommen. Wenn Ihr die Möglichkeit habt, lest ihn Euch durch (erhältlich online FLEX - Deutsche Ausgabe). Spätestens dann versteht Ihr, wie wichtig die Nachsorge nach jedem Wettkampf ist!
Fazit
Die PEAK-WEEK stellt den individuellsten Teil einer jeden Wettkampfdiät dar. Pauschale Planungen, die Ihr von irgendjemandem habt oder bekommt, gehören auf den Müll. Die große Aufgabe besteht darin, EUREN Weg zu finden!
Resümee
Im besten Falle habt Ihr nun alle drei Teile verinnerlicht und geht mit neuer Motivation und neuem Wissen ans Werk. Wettkampbodybuilding ist ein Wechselspiel aus einerseits knallharter Wissenschaft zum Thema Ernährung, aber auch weitaus mehr Psychologie, als man vermuten würde. Mit meinem Beitrag habe ich versucht, beides zusammenzuführen und hoffe, dass mir dies auf verständliche und einleuchtende Art und Weise gelungen ist.
Habt eine gute und erfolgreiche Zeit!
Sportlicher Gruß
Holger Gugg
www.body-coaches.de
Lesen Sie auch...
Quellen
- (28) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12048325
- (29) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12111292
- (30) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18467543
- (31) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25028999