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Sport ist gesund! Er hält uns fit, mobil, sorgt für einen gesunden Stoffwechsel, senkt das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und lässt uns zudem auch noch besser aussehen. Sieht man sich die unzähligen Vorteile von Sport an, so könnte man meinen, dass es ein ZUVIEL eigentlich gar nicht geben kann.
Im Laufe meiner Jahre als Nutrition-Coach hatte ich Kontakt zu einer Vielzahl an Sportlerinnen und Sportlern aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Ich habe Menschen kennengelernt, für die Sport wirklich nur ein Hobby darstellt, die Gruppe der Freizeit- oder Breitensportler. Andere Sportlerinnen und Sportler aus meinen Coachings verdienen damit ihr Geld und sind somit natürlich auch etwas stärker unter Zugzwang, die sportliche Leistungen zu maximieren, DAFÜR sind sie aber Profis, was bedeutet, dass zumindest ein erheblicher Teil der täglichen Arbeit eben aus Sport besteht, da Sponsoren etc. eben genau dafür bezahlen. Eine dritte Personenkategorie die ich kennenlernen durfte sind nun diejenigen, die sich ihren Sport zum Lebensinhalt gemacht haben und ihn schon beinahe zwanghaft ohne Rücksicht auf Verluste ausüben. Verdientes Geld wird genauso beinahe ausschließlich in den Sport investiert, wie jede freie Minute und das, obwohl eigentlich überhaupt keine Ambitionen bestehen, aus dieser anscheinenden Passion eine Berufung zu machen oder an Wettkämpfen teilzunehmen.
Ja manchmal fragt man sich schon, ob die Einstellung des einen oder anderen Athleten noch so ist, dass sie ihm sowohl gesundheitlich als auch beruflich und gesellschaftlich nicht schadet. In diesen Fällen sehe ich es durchaus als meine Pflicht als Coach an, auch ein solches eher unbehagliches Thema mit meinen Schützlingen einmal anzusprechen, ebenso wie es gelegentlich darum geht, falsche Zielsetzungen und Vorstellungen zu recht zu rücken. Man macht sich damit sicher nicht beliebt, wer aber ein Gewissen und etwas für seine Schützlinge übrig hat, sollte in diesen sauren Apfel beißen, auch wenn er damit zunächst auf Verachtung stößt.
Ich möchte mich in meinem neuen 2-Teiler einmal mit dem tatsächlich allgegenwärtigen Thema „Sport-Sucht“ befassen. Sie ist in den verschiedensten Disziplinen anzutreffen. In Teil 1 geht es um Sportsucht in seiner „eigentlichen“ Form, wie sie in beinahe allen Sportarten auftreten kann. Teil 2 wird sich dann mit der besonderen Ausprägung des Adonis-Komplexes beschäftigen. Ein interessantes Thema, das eigentlich eher mit vorgehaltener Hand diskutiert wird.
Sportsucht
Fangen wir ganz von vorne an und zwar beim Begriff „Sportsucht“. Er besteht aus den Wörtern Sport und Sucht. Sucht bezeichnet medizinisch-psychologische Krankheitsbilder, die entweder substanzgebunden auftreten und dann als Abhängigkeitssyndrom bezeichnet werden oder nicht substanzgebundene Arten, bei denen man dann weiter in Impulskontrollstörungen, Zwangsstörungen oder einer Verhaltenssucht unterscheiden kann.
Für unser Thema interessant ist die Verhaltenssucht. Sie bezeichnet exzessive Verhaltensmuster, die auf eine psychische Abhängigkeit hindeuten, in welcher der Betroffene nicht mehr über die volle Kontrolle verfügt.
Neben der Arbeitssucht, der Sexsucht, der Computerspielsucht, der Glücksspielsucht und bestimmten Essstörungen, zählt auch die Sportsucht zur Kategorie Verhaltenssucht.
Die Sportsucht, auch genannt Fitnesssucht, gilt derzeit noch nicht als eigenständige Diagnose und zählt auch nicht als international anerkannte psychische Störung. Betroffene legen dennoch Verhaltensweisen an den Tag, die einer psychischen Störung sehr nahe kommen. Ihr Leben besteht aus dem inneren Zwang, sich sportlich zu betätigen und das in vielen Fällen, ohne jedwelche sportliche Zielsetzung in Hinblick auf den Wettkampfsport.
Da Sport auch immer etwas mit Ernährung zu tun hat, treten in Verbindung mit Sportsucht gerne auch Essstörungen auf. Gerade in Disziplinen, bei denen das Körpergewicht große Relevanz besitzt, wenn es um Leistungsmaximierung geht, verfolgt man mit der jeweiligen Ernährung das Ziel, möglichst leicht (oder in Ausnahmesportarten wie dem Sumo-Ringen möglichst schwer) zu sein. Bei Männern tritt in Verbindung dazu der ebenfalls bereits angesprochene Begriff Muskeldysmorphie (Muskelsucht oder Adonis-Komplex) auf. Mit diesem Thema werden wir uns in Teil 2 noch eingehender beschäftigen.
Fazit
Bei Sportsucht handelt es sich um eine Art der Verhaltenssucht, bei der ein zwanghafter Drang zum Sport treiben dominant auftritt.
Wie entsteht Sportsucht?
Für die Entstehung einer Sportsucht gibt es mehrere Ansätze. Leistungssport sorgt zum einen sicher für ein stärkeres Selbstbewusstsein und stärkt ein Selbstwertgefühl, das vielleicht in anderen Bereichen etwas schwächer ausgeprägt ausfällt.
Andere Sportlerinnen und Sportler suchen in vollständiger Erschöpfung ein Erfolgserlebnis. Tatsächlich werden bei intensiver körperlicher Belastung Endorphine und Dopamin ausgeschüttet, die beide für Stimmungsaufhellung sorgen und Betroffene sogar in eine Art Rauschzustand versetzen können. Aus dem Ausdauersport kennt man den Begriff „Runners High“ in diesem Zusammenhang.
Generell erntet man mit guten sportlichen Leistungen und einem sportlichen Aussehen heutzutage Anerkennung und positives Feedback. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat mit Sicherheit auch die Presse. Sie gibt den Leuten ein bestimmtes Schönheitsideal mit auf den Weg, nach dem sportliche, aktive Menschen natürlich mitunter auch streben, weshalb man dies als sekundäres Motiv für eine Sportsucht ansehen kann. Genau wie andere Motive, bei denen Sport lediglich als das Werkzeug hin zu einer bestimmten Zielsetzung fungiert.
Anmerkung
Bei jedem Coverbild darf man nicht vergessen, das, trotz sicher guter Leistungen des Models, 15-30% Photoshop-Bearbeitung im Endergebnis zu sehen ist.
Interessant
Zumindest im Bereich Ausdauersport ergab sich in Studien bis dato keinerlei Zusammenhang zwischen der Persönlichkeits-Struktur und dem Auftreten einer Sportsucht.
Fazit
Sport kann aus vielerlei Hinsicht „süchtig“ machen. Neben der Gesellschaft, die mehr für sportlich aktive Menschen übrig hat und so quasi zum Sport treiben auffordert, kann man auch zum Junky von durch Sport ausgelösten Glückshormonen werden. In vielen Fällen dominieren auch sekundäre Motive die Entstehung einer Sportsucht
Merkmale für bestehende oder angehende Sportsucht
In Studien wurde einst vor allem im Laufsport der Begriff „Sportbindung“ von der richtigen „Sportsucht“ unterschieden. Bei einer Sportbindung:
- stellt der Beweggrund zu einem wiederholten Training ein wichtiges, aber nicht zentrales Motiv dar
- drohen keine Entzugs-Symptome, wenn aus objektiven Gründen kein Training möglich ist
- kann die sportliche Tätigkeit in ihrer Ausprägung noch selbst reguliert werden. Erfolgserlebnisse treten auch dann auf, wenn man sich nicht stetig steigert
Eine zitierte Definition von Sportsucht lautet: „Sportsucht besteht, wenn der Betroffene ohne seine tägliche Dosis Sport körperlich oder psychisch leidet“ Aus diesem Satz lassen sich schon einige der Merkmale für eine vorliegende Sportsucht ableiten:
- Sport ist zentraler Lebensinhalt
- Erzwungener Verzicht auf Sport führt zu Nervosität, Schuldgefühlen und depressiven Stimmungsschwankungen, aber auch zu Symptomen wie Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit
- Es besteht ein „Erledigungszwang“
- Belastungssteigerungen finden kontinuierlich statt und werden kontinuierlich eingefordert
- Man erlebt den Drang zu trainieren, als inneren Zwang
- Symptome eines Übertrainings werden ignoriert
- Trotz Verletzung wird trainiert
- Sport wirkt sich negativ auf soziale Kontakte und das Beziehungsleben aus
- Ständiges Streben nach dem „Runners-High“
- Ständiges Streben nach dem „Second Wind“, einer Art zweitem Aufschwung, der nach etwa 32km Laufstrecke bei Läufern auftritt, aber auch in anderen Ausdauersportarten in Erscheinung tritt
Interessant
Es bestehen tatsächlich teilweise Ähnlichkeiten in Persönlichkeitsmustern von Essgestörten und Sportsüchtigen.
Fazit
Wer Sport regelmäßig ausführen MUSS und dabei von Motiven getrieben wird, die mit dem Spaß an der Sache nichts mehr zu tun haben, sollte sich bzgl. einer bestehenden Sportsucht Gedanken machen. Wenn sich dann auch noch die Unvernunft einschleicht, ist eine Sportsucht wahrscheinlich.
Ausbreitung der Sportsucht
Zur Ausbreitung von Sportsucht gibt es eine sehr repräsentative Studie der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen und der Universität Halle-Wittenberg.
Sie befragten insgesamt 1089 Frauen und Männer aus dem Ausdauersport und fanden so heraus, dass etwa 1% der Sportlerinnen und Sportler bereits von Sportsucht betroffen waren. Die Zahl der Gefährdeten lag bei etwa 4,5%. Der Unterschied zwischen Gefährdung und bestehender Sportsucht wurde daran fest gemacht, ob bereits gezielt Übertrainingssymptome ignoriert und Trainingseinheiten auch unter Schmerzen absolviert wurden.
Die Forscher fanden im Rahmen ihrer Untersuchungen heraus, dass neben Ausdauersportlern, wie Läufern oder Triathleten, auch sonstige Extremsportler und Kraftsportler der potenziellen Risikogruppe angehören, dass aber besonders im Triathlon die Sportsucht weiter verbreitet ist, als in anderen Ausdauersportarten. Läufer sind zudem öfter von Sportsucht betroffen als Radfahrer.
Im Vergleich der Geschlechter konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Hinsichtlich des Alters sind besonders junge Sportlerinnen und Sportler bis 29 Jahre gefährdet, eine Sportsucht auszubilden. Im Gegensatz dazu, tritt Sportsucht häufiger bei Personen auf, die ihren Sport schon mehrere Jahre betreiben.
Steigende Gefährdung tritt auch in dem Zusammenhang mit einer steigenden Anzahl an Trainingseinheiten und Trainingsstunden pro Woche auf, was an dieser Stelle sicherlich nicht verwundert.
Als gefährlich wurde auch hier die sekundäre Sportsucht betrachtet, bei der wie bereits genannt, andere Ziele als die eigentliche sportliche Leistung für das übertriebene Fehlverhalten verantwortlich gemacht werden müssen.
Fazit
Triathletin oder Triathlet, Alter bis 29 Jahre, mehrere Jahre Trainingserfahrung, mehr als 8 Trainingsstunden pro Woche - Wer in dieses Raster fällt, sollte sich besonders vor Sportsucht hüten, da für diese Personengruppe das größte Risiko herausgearbeitet wurde. Natürlich besteht auch mit anderen Konstellationen und in anderen Sportarten die Gefahr einer Sportsucht.
Wie erkenne ich, ob ich Sportsüchtig bin?
Wissenschaftlich sicher nicht 100% fundiert, aber aus praktischer Sicht meiner Meinung nach dennoch relevant: Anbei ein kleiner Test, der sich mit der Frage befasst, ob man bereits zu den Betroffenen einer Sportsucht gehört oder nicht.
Werden fünf dieser Punkte mit JA beantwortet, wird angeraten, sich in Bezug auf eine bestehende Sportsucht in Beratung oder Betreuung zu begeben:
1. Ich mache Sport nur aus einem Zwang heraus mich bewegen zu müssen!
2. Sport hat erste Priorität! Dahinter kommen Familie Beruf und soziales Umfeld.
3. Ein oder sogar zwei Tage ohne Sport lösen Entzugssymptome aus, die sich in Unwohlsein
und Unzufriedenheit niederschlagen.
4. Symptome von Übertraining ignoriere ich bewusst!
5. Wegen meines Sports ist bereits eine Beziehung in die Brüche gegangen. Auch der
Freundeskreis wird immer kleiner.
6. Ich muss meine sportliche Leistung steigern, um noch ein Gefühl von Befriedigung und
Erfolg daraus schöpfen zu können
7. Ich betreibe Sport nicht wegen dem Spaß am Sport, sondern aufgrund sekundärer Ziele, wie
der Stärkung des Selbstvertrauens, Muskelaufbau oder Gewichtsverlust
Fazit
5 dieser 7 Fragen mit JA zu beantworteten gibt einen praxisnahen Wink mit dem Zaunpfahl. Kontrollieren Sie sich selbst und denken Sie über die Ergebnisse nach.
Resümee
Wiederholte intensive sportliche Aktivität alleine ist noch kein eindeutiges Indiz für eine bestehende Sportsucht. Die sog. Sportbindung kann durchaus zu positiven Veränderungen des Sportlers führen:
- bessere psychologische Selbstkontrolle
- besserer Umgang mit Problemen
- besseres Aktivieren von körperlichen und psychischen Reserven
- verbesserter Umgang mit gesteckten Zielen und deren Verfolgung
Gefährlich wird es erst dann, wenn aus einer „Bindung“ eine „Sucht“ wird. Leider sind die Übergänge oftmals für den Betroffenen nicht eindeutig zu erkennen und gehen schleichend von Statten. Studien zeigen, dass Sportsucht durchaus eine ernstzunehmende und sich ausbreitende „Krankheit“ darstellt. Jeder sportlich aktive Mensch, sollte diesen Artikel einmal zum Anlass nehmen, seine Motive und Gedanken in Verbindung mit Sport, einmal kritisch zu hinterfragen.
In Teil 2 beschäftige ich mich dann mit der besonderen Ausprägung des Adonis-Komplexes.
Sportliche Grüße
Ihr
Holger Gugg
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Sportsucht
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https://de.wikipedia.org/wiki/Muskeldysmorphie
Harrison G. Pope, Katharine A. Phillips und Roberto Olivardia: Der Adonis-Komplex. Schönheitswahn und Körperkult bei Männern. dtv 2001, ISBN 3-423-24249-3
Diplomarbeit von Psychologin Susanne Andersen g.W.
Roberto Olivardia, Harrison G. Pope, u. a.: Muscle Dysmorphia in Male Weightlifters: A Case-Control Study. American Journal of Psychiatry (August 2000), S. 1291
https://www.bkk24.de/typo3/index.php?id=1095
http://studie-psychologie.at/sportsucht-wenn-aus-der-lust-am-sport-eine-sucht-wird/
https://idw-online.de/de/news538092