Bodybuilding & Muskelaufbau

Einige Gedanken zu Deiner Wettkampfdiät – Teil 2

Gute Protein- und Fettquellen für die WettkampfdiätIn Teil 1 habe ich ein paar kritische Gedanken zum Start in eine Wettkampfdiät mit Euch geteilt. Die Serie läuft explizit nicht unter „Wettkampfvorbereitung“, sondern unter „Wettkampfdiät“, da unter Wettkampfvorbereitung noch etliche weitere To-Dos fallen, mit denen ich mich hier und heute nicht befasse. Wer einen guten Gesamtüberblick über das gesamte Thema Wettkampfvorbereitung haben möchte, der findet diesen in meinem Artikel aus der Muscle&Fitness Ausgabe September 2015, den ich HIER für Euch hinterlegt habe.

Mit Teil 1 haben wir den Weg in die Vorbereitung geebnet und Ihr habt einige wichtige Infos zur Gestaltung der ersten Wochen mit auf den Weg bekommen. Heute befassen wir uns mit Phase 2 – den letzten 15 bis 8 Wochen vor Eurem Wettkampf. Es geht mitunter um geeignete Lebensmittel, die richtige Makroverteilung und die Frage, ob man auch in einer Wettkampfdiät „cheaten“ darf oder sogar sollte.

 

15 bis 8 Wochen vor dem Tag X

Die „Guten“ unter Euch, die bereits in der Aufbauphase die Hausaufgaben gemacht haben, konnten Phase 1 vielleicht sogar gänzlich überspringen. So gut wie jede Wettkampfdiät wird jedoch um die 15 bis minimal 12 Wochen dauern müssen, darum wird es jetzt für alle aktiven Athletinnen und Athleten interessant.

Lebensmittelauswahl

Was bis dato noch rein über das Kaloriendefizit und sicher bereits die eine oder andere feste Cardioeinheit an Fortschritten verwirklicht wurde, bedarf nun einiger etwas verschärfter Vorgaben. Immer vorausschauend gilt es, neben dem eigentlichen Diät Ziel zudem zu berücksichtigen, wie sich gewisse Einschränkungen und Veränderungen der Lebensmittelauswahl auf den Athleten oder die Athletin auswirken. Studien wie die von Rolls et al (12) oder Yeoman et al (13) zeigen, das was jeder aktive Athlet auch aus der Praxis berichten kann. „Sobald man etwas nicht mehr darf, ist genau dies das erste, das man möchte.“ Es scheint fest verankert in der Psyche des Menschen und ausnahmslos jeder hat damit im Verlauf der kommenden 15 Wochen mehr oder weniger ausgeprägt zu kämpfen.

Ketogene Diät?

Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich in der Praxis die Frage nach der Notwendigkeit und auch Sinnhaftigkeit einer Wettkampfdiät mit ketogenen Vorgaben. Bessere Ergebnisse sind in den allermeisten Fällen nicht zu erwarten, die Chance auf Muskelverlust erhöht sich mit Fortschreiten der Diät insbesondere bei Naturalathleten und der mentale Druck des Verzichts (wie oben beschrieben) ist für Athletinnen und Athleten, die mit der ketogenen Diät bis dato keinen Berührungspunkt hatten, schier unmenschlich. Sie werden bei der ersten Gelegenheit, wie z.B. beim ersten erlaubten Cheating-Day immens aus dem Rudern laufen und sich nicht mehr unter Kontrolle haben  -- BELIEVE THAT!

Fazit

Auch in dieser Diätphase gilt: DEZIMIERT LEBENSMITTEL NICHT ZU SCHNELL!

Sättigungs-Index / Fullness-Factor

Ein hilfreiches Werkzeug für jede Vorbereitung stellt der Sättigungs-Index dar. Erinnert Ihr Euch an meinen sehr ausführlichen Beitrag zur Steuerung von Hunger und Sättigung? Der Sättigungs-Index war Thema in Teil 1.
Hier nochmal der entscheidende Absatz der das Potenzial verdeutlicht:

Besonders interessant für die Praxis ist genau an diesem Punkt etwas, das sich Fullness-Factor (Sättigungs-Index) nennt. 1995 setzten sich Holt et al mit der Frage auseinander, ob es Unterschiede im wahrgenommenen Sättigungsempfinden durch verschiedene Lebensmittel gibt. Sie verabreichten Testpersonen hierzu insgesamt 38 verschiedene Lebensmittel und befragten diese danach zum Sättigungsempfinden verglichen mit dem Referenzlebensmittel Weißbrot. Wie sich zeigte, sättigen die Lebensmittel am besten, die am meisten wiegen. Dies unabhängig davon, welchen Brennwert sie liefern. Es gab aber auch Zusammenhänge mit anderen Lebensmitteleigenschaften, weshalb der reine Ansatz des Nahrungsvolumens wie oben genannt nach der Theorie des Fullness-Factor nicht als alleiniger Indikator für kurzfristige Sättigung zu verstehen ist. Nach Sichtung etlicher Studien zum Thema Sättigung hat sich letztlich eine Formel zur Bestimmung des sog. „Fullness-Factor“(FF) herauskristallisiert.

Welche Lebensmittel getestet wurden und einen besonders hohen Fullness-Factor aufweisen könnt Ihr HIER einsehen:

Fazit

Lebensmittel sorgen unterschiedlich stark für ein wohlig-sättigendes Gefühl. Macht Euch diese Eigenschaft durch eine gezielte Auswahl zunutze.

Makros

Zu diesem Zeitpunkt der Diät ist es wichtig, die Basics richtig zu machen. Hierzu gehört fürs Erste eine ausreichende Versorgung mit Protein im HBN-konformen Bereich von 2,5g pro Kilogramm Körpergewicht / Zielgewicht. Mehr muss und sollte es für den sich natural vorbereitenden Athleten nicht sein. Studien von Hall et al (16) und Elia et al (17) rechtfertigen eine nochmalige Erhöhung lediglich in der Endphase der Vorbereitung. Also dann, wenn der Körperfettgehalt bereits sehr niedrig ausfällt. Einen alternativen Weg zum bestmöglichen Erhalt des Protein-Turnover gebe ich mit meinem neuen Ansatz der Verwendung von HBN EAA CODE. Auch hier wird der Proteinbedarf zunächst mit og. Vorgabe ermittelt, ein Teil davon wird jedoch durch genanntes EAA-Produkt ersetzt.

Vorteile:

  • Die Proteinsynthese kann dank Verabreichung der perfekten EAA-Matrix in der richtigen Menge maximiert werden
  • Stickstoffabfälle und damit die Belastung des Harnstoffzyklus werden reduziert
  • Reduzierte Säurebelastung (Stichwort ph-Wert)
  • Frei werdende Kalorien können als zusätzliches Defizit dienen oder wandern wahlweise in die verbleibenden beiden Makronährstoffe

Die gesamte Thematik HBN EAA CODE habe ich HIER für Euch zusammengefasst.

Man kann es nicht oft genug schreiben – Jeder Makronährstoff hat, egal in welcher Phase, seine Berechtigung. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass insbesondere Cholesterin (14) und gesättigte Fettsäuren (15) dem Erhalt fettfreier Masse zuträglich sind und nicht absichtlich minimiert werden sollten! Auf der anderen Seite existieren auch Studien, die moderaten Mengen an Kohlenhydraten zum Erhalt von Leistungswerten und Magermasse eine gewisse Notwendigkeit nachweisen (18,19).

HBN Signatured Series EAA-Code

Fazit

Kein Makronährstoff ist „schlecht“, geschweige denn unnötig. Großes Potenzial birgt insbesondere in der Wettkampfdiät der Einsatz von essentiellen Aminosäuren in der perfekten Gewichtung.

Nutrition-Timing

Um es vorwegzunehmen – Mein Ernährungskonzept HBN (Human Based Nutrition) kritisiert zwar einige gängige Fastenmodelle, aber schließt die Einbindung von Fastenfenstern nicht gänzlich aus. In der Tat kann es insbesondere in der Wettkampfvorbereitung von Vorteil sein, für einige Stunden des Tages ein Fastenfenster einzuplanen, welches insbesondere in Sachen Proteinversorgung (EAA-Versorgung) mit Fortschreiten der Diät zeitlich anzupassen ist (trotz Amino-Pool!). Fasten ermöglicht einerseits einige größere wirklich sättigende Mahlzeiten, andererseits fällt die fastende Zeit zwischen den Mahlzeiten leichter, wenn der Blutzucker völlig unbeeinflusst von Nahrung vom Wechselspiel Insulin/Glukagon auf einem konstanten Level gehalten werden kann.
Nach wie vor schlecht gestaltet sich in meinen Augen die Vorgehensweise des „Breakfast Skippings“, also ein Verzicht auf Frühstück. Begründen lässt sich dies mitunter über eine besonders in den Morgenstunden hervorragende (insulin-schonende) Aufnahmebereitschaft der Zellen für Nährstoffe, die sich über eine hohe Insulinsensibilität in etlichen Studien nachweisen lässt (20). Die große Frage bei Frühstück ist also nicht die des „ob“, sondern des „wie“. Hier müssen Trainierende aber auch Otto-Normalverbraucher endlich einsehen, dass es eben NICHT das kohlenhydratreiche Frühstück sein sollte, sondern eine proteinmoderate, kohlenhydratarme, dafür aber ballaststoffreiche Variante (21).
Abschließend zum Nutrition-Timing fehlt noch ein Statement in Richtung Post-Workout-Nutrition und insbesondere zur Sinnhaftigkeit der Aufnahme von HGL Carbs (hohe glykämische Last) im Anschluss an das Training. Das Pro-Lager argumentiert hierzu mit einem positiven Effekt auf die Glykogen-Resynthese und damit auf einen wichtigen Teil der Regenerationskette (22). Ebenfalls aus dem Pro-Lager stammt die These, Insulin (ausgelöst durch den Verzehr von HGL Carbs) würde sich hemmend auf den Proteinabbau auswirken und zudem unter Anwesenheit von Aminosäuren zudem die Proteinsynthese zu fördern, wenngleich nicht derart signifikant, wie es sich in die Hemmung des Abbaus einschaltet (23). Während Pro-Argument 1 nach wie vor Gültigkeit besitzt und sicher insbesondere im nährstoff-verarmten Zustand eine vermehrte Rolle spielt, zeigt eine aktuelle Meta-Analyse von Abdula et al (24), dass es für den genannten Einfluss auf den Proteinstoffwechsel keiner großer Mengen Insulin bedarf. Es stellt sich damit die Frage, inwieweit der insulinogene Einfluss von Aminosäuren möglicherweise schon ausreicht, um den vollen Insulin-Effekt zu vermitteln. Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass wir nach dem Training von Protein (EAA sind ausreichend!!) profitieren, um damit den Proteinstoffwechsel positiv zu beeinflussen. Kohlenhydrate dienen in erster Linie einer schnelleren Glykogen-Resynthese, während man sich um echte Effekte ausgehend von einem kohlenhydrat-induzierten Insulinanstieg noch nicht gänzlich einig ist. Insbesondere im Rahmen einer Wettkampfdiät bleibt die Verabreichung von Protein (EAA) und Kohlenhydraten weiterhin zu befürworten!

Fazit

Egal wie man seine Wettkampfdiät gestalten möchte, Frühstück und eine gezielte Post-Workout-Nutrition sollten als Mahlzeiten fest gesetzt sein!

Cheating / Refeed

Unter Berücksichtigung aller physiologischen aber auch psychologisch-metabolischen Aspekte einer Wettkampfvorbereitung stellt Cheating in der Tat ein äußerst effektives Werkzeug dar.

Anmerkung
Erspart mir Haarspaltereien zu Unterschieden in der Begriffsdefinition von Cheating und Refeed. Gemeint ist hier das außerplanmäßige Essverhalten für eine bestimmte Zeit zu einem bestimmten Zweck, egal, ob ich es nun Cheating oder Refeed nenne - Thx Bros!

Hellburner Carb Smasher

Für die Psyche kann Cheating enorm wichtig sein. Die Aussicht auf etwas, das man im Laufe der Wettkampfdiät eigentlich strikt meiden muss, weckt Motivation und sorgt für Durchhaltevermögen. Athleten, die sich selbst betreuen, insbesondere aber Coaches sollten sich der Macht dieses Instruments bewusst sein.

Inwieweit Cheating aus physiologisch-metabolischer Sicht Sinn macht, hängt von einigen Faktoren ab:

  • Genetik
  • Diätdauer
  • Defizit
  • Körperfettgehalt

All diese Faktoren habt Ihr von mir schon einmal gelesen, nämlich in Zusammenhang mit dem dominantesten aller Sättigungshormone, dem Leptin. Leptin ist für jeden Wettkampfathleten deshalb so wichtig, weil es nicht nur metabolisch, sondern auch mental stark in die Steuerung des Organismus eingreift. Weniger Leptin bedeutet unweigerlich (25):

  • Mehr Hunger
  • Geringere Fettsäureoxidation
  • Geringere Lipolyse (Fettgewebe und Leber)
  • Verstärkte Lipogenese (Fettgewebe und Leber)
  • Erhöhte Insulinausschüttung
  • Erhöhte Cortisolausschüttung
  • Verringertes Aufkommen an Schilddrüsenhormon
  • Reduzierte Stoffwechselrate

Wer versteht, welche evolutionäre Aufgabe Leptin zukommt, kann nachvollziehen, warum genau diese Veränderungen stattfinden. Es geht ums nackte Überleben! Zu wenige Kalorien gepaart mit zu wenig Körperfett und einer vielleicht noch schlechten Veranlagung (Set-Point-Theorie) veranlassen den Körper dazu, die Freigabe von Energie zu reduzieren und ihn voll auf „speichern und sparen“ zu stellen. Welche Auswirkungen sich insgesamt in diesem Konstrukt im Rahmen einer Diät ergeben können, könnt Ihr in meinem Beitrag nachlesen (26). Etliches davon ergibt sich aus dem übergreifenden Einfluss von Leptin. In Teil 3 meines Beitrags zu Hunger und Sättigung (27) lässt sich ersehen, wie stark der Einfluss von Leptin auch auf das gesamte orexische Netzwerk ausfällt, weshalb man genau diesem Signalgeber höchste Aufmerksamkeit schenken sollte.
Die gute Nachricht ist, dass sich Leptin relativ kurzfristig und schnell beeinflussen lässt. Schon diätische Maßnahmen im Rahmen eines Tages können den Leptinspiegel wieder auf den Ausgangswert verschieben (25). Während also der „gebräuchliche“ eine Cheating-Day sicher schon etwas bewirkt, gehen andere Vorschläge dahin, 3 bis sogar 5 aufeinanderfolgende Cheating-Days einzulegen, die (wenn man richtig plant) zwar für einen deutlichen Gewichtsanstieg, nicht aber für einen größeren Zuwachs an Fettmasse sorgen werden (Mac Donald spricht von bis zu 100g!!).

Anmerkung
Wer mit 3 bis 5 Cheating-Days plant, der sollte vorerst überlegen, ob er sich dies zeitlich auch wirklich leisten kann!

Gute Protein- und Fettquellen für die Wettkampfdiät

Richtig geplant setzt die richtige Kalorienmenge aber auch die richtige Gewichtung bei Makronährstoffen voraus. Diese grundlegenden Regeln lassen sich für einen Cheating-Day anführen:

  • Hyperkalorisch
  • Very low fat
  • Moderat Protein
  • High Carb

Fazit

Klares JA zu gezieltem Cheating und das sowohl aus psychologischen als auch aus physiologisch-metabolisch-hormonellen Gesichtspunkten.

Resümee

Ich denke, in Teil 2 konnte ich mit dem einen oder anderen Szene-Mythos aufräumen. Besonders der psychologische Aspekt, den Essen auf uns ausübt, wird zu Zeiten einer Wettkampfdiät extrem oft vergessen. Coaches und Betreuern geht es darum, „das zu fressen, was etwas bringt“. Das man es damit Athletinnen und Athleten unverhältnismäßig schwer macht, ohne dass dies nötig wäre, bleibt unberücksichtigt. Trotz aller Umsicht müssen dennoch bereits jetzt gezielte Vorgaben ausgegeben und umgesetzt werden.

In Teil 3 soll es abschließend um die wirklich heiße Phase gehen, die Wochen 8 bis 1 und natürlich den Tag X. Seid also gespannt

 

 

Holger GuggSportlicher Gruß

Holger Gugg

www.body-coaches.de

 

 

 

 

 

 

Quellen

  • (12) http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/0031938481900147
  • (13) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15384315
  • (14) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17921432
  • (15) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9029197
  • (16) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17848938
  • (17) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10574520
  • (18) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21558571
  • (19) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19927027
  • (20) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27492405
  • (21) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27184285
  • (22) http://www.jssm.org/vol3/n3/3/v3n3-3pdf.pdf?hc_location=ufi
  • (23) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26404065
  • (24) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26404065
  • (25) https://www.peak.ag/de/classic/peak-blog/was-macht-wirklich-satt-teil-2-sattheit
  • (26) https://www.peak.ag/de/classic/peak-blog/was-passiert-wirklich-mit-dem-stoffwechsel-wenn-wir-auf-diaet-sind
  • (27) https://www.peak.ag/de/classic/peak-blog/was-macht-wirklich-satt-teil-3-orexisches-netzwerk-und-die-praxis

Bildquelle: Dani Vincek/Fotolia.com