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Magerquark vs. Skyr – Haben wir ein neues „Super“-Milchprodukt?

Skyr vs. Magerquark Vergleich
Skyr vs. Magerquark

Seit ich denken kann, zählt Magerquark schon zu den beliebtesten Lebensmitteln für Sportler. Ein hoher Proteingehalt, wenige Kohlenhydraten und eine nur sehr geringe Menge Fett macht ihn zum optimalen Lebensmittel für beinahe alle Arten von Ernährung. Dabei ist es egal, ob es sich um Low-Carb, High-Carb oder Medium-Carb handelt.

Seit einiger Zeit versucht ein Lebensmittel namens „Skyr“ dem Quark seinen Platz auf dem Podest der beliebtesten Lebensmittel streitig zu machen. Postings im Social-Media mit Rezepten häufen sich und es scheint in aller Munde, darum ist es heute an der Zeit, einmal einen kritischen Vergleich anzustellen.

Skyr vs. Quark – wer gewinnt?

 

Skyr – Ein Import aus Island

Skyr versteht sich als klassisches Milchprodukt, dessen Wurzeln man bei den Wikingern vermutet. Traditionell stammt Skyr aus Island, wo es auch heute noch in hoher Menge hergestellt und verzehrt wird. Seit 2015 laufen Produktion und Vertrieb von Skyr auch in Deutschland. Seit der Einführung hat sich ein wahrer Run auf Skyr entwickelt, welches nun als besonders gesundes Lebensmittel beworben wird. Geschmacklich beschreiben Konsumenten Skyr etwas säuerlicher als Quark oder normalen Joghurt. Die Konsistenz erinnert an griechischen Joghurt. Für die Herstellung wird ausschließlich entrahmte Milch verwendet. Im Vergleich zu konventionellem Joghurt soll Herstellerseiten zur Folge sogar bis zu vier Mal mehr Milch für die Produktion von Skyr notwendig sein. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Inhaltstoffe aus, so die Werbeversprechen. Ursprünglich wurde für die Herstellung von Skyr Lab verwendet. Heute liest man hingegen von Herstellungsverfahren, bei welchem pasteurisierter Milch nur noch eine gewisse Menge fertiges Skyr beigefügt wird.

Exkurs Lab

Bei Lab handelt es sich um ein Enzymgemisch (Pepsin und Chymosin), welches dem Labmagen junger Wiederkäuer entstammt. Schon eine geringe Dosis davon ist ausreichend, um Milch zur Gerinnung zu bringen. Zwar gibt es auch Alternativen zum typischen Lab wie pflanzliche Labfermente aus Labkräutern sowie mikrobiell oder biotechnisch erzeugte Austauschstoffe, jedoch wird in den meisten Fällen auch heute noch Lab in seiner Ursprungsform verwendet. Für Freunde des Veganismus kommen mit Lab verarbeitete Produkte sicher nicht in Betracht.

Fazit
Zunächst einmal handelt es sich sowohl bei Skyr als auch bei Quark um klassische Milchprodukte. Worin nun genau die Unterschiede liegen, sehen wir jetzt.

 

Skyr vs. Quark – Die Fakten

Kommen wir zum Offensichtlichen und damit zum Vergleich der Nährwerte von Skyr und Quark. Ich muss dazu sagen, dass sich im Netz verschiedene Analysen sowohl zu Magerquark als auch zu Skyr finden, sodass sich je nach Hersteller kleinere Abweichungen zu den nun genannten Daten ergeben können.

Im Vergleich zu Skyr liefert Magerquark pro 100 g einige zusätzliche Kalorien, die, wie in der Darstellung zu erkennen ist, aus einem etwas höheren Proteingehalt stammen. Mit 11 g und 13,5 g Protein auf 100 g zählen beide Lebensmittel in jedem Fall zu den Proteinträgern.

Mit einem leichten Vorteil geht hinsichtlich des Proteingehalts Quark aus dem Rennen.

Der Gehalt an Fett ist sowohl in Magerquark als auch Skyr zu ignorieren, da er bei weit unter 1 Gramm pro 100 Gramm und somit nicht einmal bei 10 kcal pro 100 g liegt. Auch der Gehalt an Kohlenhydraten liegt mit 4 g pro 100 g in einem Bereich, der selbst mit einer höheren Portionsgröße von beispielsweise 250 g noch keine nennenswerte Beeinflussung der Verdauung oder des Organismus zur Folge hat. Im  Klartext bedeutet dies, dass mit 4 g pro 100 g weder der Blutzucker noch kohlenhydratbedingt der Insulinspiegel signifikant ansteigen werden. Die Betonung liegt hier auf „kohlenhydratbedingt“, da der Insulin-Index von Skyr als „joghurt-ähnliches“-Lebensmittel mit 115 Zählern sehr hoch ausfällt. Auch bei Quark ist von einem nicht zu unterschätzenden, wenngleich nicht derart hohen, Insulin-Index auszugehen.

Während der Kohlenhydratanteil und damit der Einfluss auf den Blutzuckerspiegel bei Skyr und Quark relativ gleich ausfallen, ist von Skyr ein etwas höherer Anstieg des Insulinspiegels zu erwarten.

Für laktoseintolerante Menschen ist sowohl bei Skyr als auch bei Quark Vorsicht geboten. Je nach Verträglichkeit können größere Portionen durchaus zu Unverträglichkeitsreaktionen führen.

Groß gehyped wird Skyr als außergewöhnlicher Calcium-Lieferant. Hierzu gibt es zu sagen, dass Quark dem Milchprodukt aus Irland diesbezüglich in nichts nachsteht, sondern sogar leicht höhere Mengen auf 100 g liefert (auch hier existieren wieder unterschiedliche Angaben, ein großer Unterschied ist dennoch nicht zu erkennen).

Sowohl Skyr als auch Quark liefern hohe Mengen Calcium.

Fazit
Skyr das neue Wunder-Lebensmittel? – Nach Sichtung der Makronährstoffe und des Gehalts an Calcium wohl kaum. Ein signifikanter Unterschied zum altbekannten und bewährten Magerquark ist nicht zu erkennen.

  Skyr natur pro 100 g Magerquark pro 100 g
Kalorien 62 kcal 75 kcal
Protein 11 g 13,5 g
Kohlenhydrate
   davon Zucker (Laktose)
4 g
4 g
4 g
4 g
Fett 0,2 g 0,2 g
Calcium 84 mg 120 mg
Preis ca. 0,26 € / 100 g ca. 0,15 € / 100 g



Preisvorteil bei Skyr?

Weit gefehlt, hier wird es auch schwer werden, dass Massenabsatzprodukt Magerquark jemals zu schlagen. Aus einer kleinen Recherche konnte ich für 450 g Skyr natur einen Preis von ca,. 1,19 Euro ausfindig machen. Das halbe Kilo (500 g) Magerquark kommt hingegen auf nur ca. 0,75 Euro. Umgerechnet ergibt sich pro 100 g ein Preisvorteil beim Kauf von Magerquark in Höhe von 9 Cent. Klingt nach nicht viel, auch dieses „nicht viel“ wird sich aber im Laufe der Monate und vielleicht sogar Jahre aufsummieren: „Kleinvieh macht auch Mist“.

Fazit
Für Skyr muss man den Geldbeutel weiter öffnen als für Quark. Bis dato ist noch nicht ersichtlich, warum man das tun sollte.

 

Geschmack

„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“ – darum werde ich mir auch kein Urteil darüber erlauben, ob nun Skyr oder Magerquark besser schmeckt. Da Skyr hinsichtlich der Konsistenz mit griechischem Joghurt verglichen wird, lässt er sich sicher etwas besser verzehren als Magerquark. Der kleine Kniff beim heimischen Quark wäre ein kleiner Schuss Wasser mit in die Portion zu rühren und schon hat man einen ähnlich sämigen Charakter wie bei Joghurt mit trotzdem besserer Makronährstoffbilanz.

Fazit
Wer geschmackliche Vielfalt benötigt oder auf einen etwas säuerlichen Geschmack steht, der hat mit Skyr eine Quarkalternative an der Hand.

 

Probiotika

probiotika

Kommen wir zum letzten vermeintlichen Vorteil von Skyr im Vergleich zu Magerquark. Hier geht es um einen  möglicherweise höheren Gehalt an Probiotika. Was gibt es dazu zu sagen…

Bei Probiotika handelt es sich um lebende Bakterien (Mikroorganismen), die vorwiegend in milchsauren Produkten vorkommen und allgemein als „gesundheitsfördernd“ beworben werden. Eine eindeutige Meinung darüber, was Probiotika wirklich können, existiert nicht, dennoch werden sie in etliche Nahrungsmitteln, Nahrungsergänzungen oder sogar Arzneimitteln integriert. Problematisch gestaltet es sich, einzelnen Bakterienstämmen eine echte Wirkung nachzuweisen. Lactobacillus delbrueckii subsp. Bulgaricus, der Streptococcus thermophilus oder der Lactobacillus helveticus gelten beispielsweise als unwirksam, da sie den Magen-Darm-Trakt nicht unbeschadet überstehen. Es existieren aber auch etliche Vertreter, bei denen man von einer unbeschadeten Aufnahme ausgehen kann. Zu den Anwendungsgebieten mit teilweise gutem Datenbackground zählen Magen-Darm-Entzündungen, Laktoseabbaus und sogar Bluthochdruck. Die EFSA berichtet in deren Stellungnahme aus 2012 von pathogenen und nicht pathogenen Stämmen. Therapeutisch zum Einsatz kommen Probiotika bei chronischer Verstopfung, verschiedenen Infekten, Karies und Durchfallerkrankungen. Dies vor allem nach Antibiotika-Therapie oder zur Vorbeugung von Allergien oder Neurodermitis. Hier kommen allerdings Bakterienstämme in hochdosierter Form zum Einsatz, die mit den in Joghurt enthaltenen Mengen nicht vergleichbar oder erreichbar sind.

Zum genauen Wirkungsmechanismus von Probiotika ist man sich nur teilweise einig. Im Gespräch sind eine gesteigerte Immunabwehr. Dies dank eines vermehrten Aufkommens an Immunglobulinen A sowie eine Hemmung des Wachstums von Bakterienstämmen mit eher negativen Effekten. Sofern das Probiotikum mindestens 100 Millionen oder besser noch 1 Milliarde lebende Bakterien enthält, lässt sich offenbar die Verstoffwechslung von Kohlenhydraten durch Probiotika verbessern. Eindeutig geht aus Untersuchungen hervor, dass für eine echte und dauerhafte Wirkung eine tägliche Zufuhr notwendig ist, da sich  Bakterienstämme aus probiotischen Lebensmitteln nicht dauerhaft im Darm ansiedeln.

Wer wirklich von Probiotika profitieren möchte, der muss diese regelmäßig zuführen.

Als „probiotisch“ beworbene Lebensmittel werden nach der eigentlichen Herstellung mit den üblichen Starterkulturen noch die gewünschten Bakterienstämme zugesetzt. Inwieweit diese nun besser wirken als die in üblichen Produkten enthaltenen Milchsäurebakterien, ist unklar. Einigen Experten zur Folge würde es ausreichen, täglich zwei bis drei Becher gewöhnlichen Naturjoghurt oder ein anderes Milchprodukt zu verzehren, solange man darauf achtet, ein nicht wärmebehandeltes Produkt zu kaufen. An der Universität Wien konnte im Vergleich zwischen normalen Joghurt und Actimel kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Einzig der Cholesterinstoffwechsel wurde von Actimel stärker beeinflusst (mehr HDL bei gleichzeitig weniger LDL). Auch eine weitere Studie stellte in Hinblick auf die Behandlung von Durchfallerkrankungen leichte Vorteile für probiotischen Joghurt fest.

Hinweise deuten darauf hin, dass man sich von probiotischen Lebensmitteln mit zugesetzten Bakterienstämmen zumindest leichte Vorteile versprechen darf. Vorsicht aber vor gerne zugesetzten Einfachzuckern! Probiotische Lebensmittel sind oftmals nicht mehr „sportler-tauglich“.

Auch in Hinblick auf gezielte Effekte von Probiotika für Sportler finden sich Hinweise. Ein Beispiel liefert die Studie von Nichols, in der eine indirekte Wirkung von Probiotika für die Regeneration, eine verbesserte Immunfunktion und einen gesunden Verdauungstrakt bei Sportlern für wahrscheinlich angesehen wird. Kekonnen et al untersuchten den Einfluss von Probiotika auf gastrointestinale Symptome sowie Erkrankungen der oberen Atemwege bei Marathonläufern. Im Ergebnis konnte die Anzahl an Erkrankungen durch die regelmäßige Einnahme nicht reduziert werden, es ließ sich aber eine Verkürzung der Episoden mit gastrointestinalen Problemen in Verbindung mit einem Marathonlauf feststellen. Gleeson et al zeigen einen positiven Effekt mit der regelmäßigen Einnahme von Probiotika in Hinblick auf das Immunsystem in Verbindung mit einem 4-monatigen Training in Wintermonaten. Bei Cox et al zeigte sich unter Verwendung von Lactobacillus fermentum VRI-003 letztlich auch eine Verringerung des Aufkommens an Erkrankungen der oberen Atemwege über eine 30-tägige Testperiode an trainierten Läufern.

Probiotika scheinen bei Sportlern gute Dienste zu leisten. Rückschlüsse auf positive Effekte ausgehend von der regelmäßigen Aufnahme von Quak oder Skyr lassen sich an dieser Stelle aber nicht erzielen, da Studien hierzu mit ganz bestimmten Bakterienstämmen in hoher Dosierung durchgeführt werden.

Weder Skyr noch gewöhnlicher Magerquark verstehen sich als Lebensmitteln mit speziell zugesetzten Bakterienstämmen. Von Skyr ist bekannt, dass die probiotischen Eigenschaften denen von griechischem Joghurt stark ähneln, weshalb der Anteil probiotischer Bakterien wohl aufgrund des Herstellungsverfahrens etwas höher ausfallen wird als bei Quark. Inwieweit dies nun ein Vorteil ist oder nicht, lässt sich abschließend nicht erschließen. Wie wir gelesen haben, ist eine regelmäßige Aufnahme moderater Mengen Pflicht, um überhaupt einen Effekt mitzunehmen. Starke Erhitzung wird als Nachteil für die Anzahl lebender Bakterien angesehen, was als weiterer Kritikpunkt für die in Skyr enthaltenen Probiotika anzusehen ist (siehe Herstellung via Pasteurisierung). Hier also ein weiterer wackliger Punkt, der sich aus der Herstellung von Skyr ergibt.  

Fazit
Im Vergleich zu Quark finden sich in Skyr aller Wahrscheinlichkeit nach höhere Mengen probiotischer Bakterien. Wer dies als Grund für einen Wechsel von Quark zu Skyr sieht, der muss im Umkehrschluss den Weg einer regelmäßigen, täglichen Aufnahme moderater Mengen in jedem Falle einschlagen, da ein vermeintlich positiver Effekt ansonsten verpufft.

 

Resümee

Ein etwas enttäuschendes Fazit für alle diejenigen, die sich von Skyr eine Revolution des  Milchproduktesortiments versprochen haben. Skyr liefert im Vergleich zu Quark maximal vergleichbare Werte bei Protein und Calcium. Der Kohlenhydrat- und Fettanteil ist identisch. Skyr kostet dabei mehr als herkömmlicher Quark. Wer sich die Wirkung von Probiotika zu Nutzen machen möchte, der kann sich von Skyr im Vergleich zu Quark etwas mehr erhoffen, sofern er gewillt ist, ab sofort täglich moderate Mengen davon zu verzehren. Probiotisch angereicherte Lebensmittel wären hierfür allerdings noch etwas besser geeignet, sofern eine Darreichungsform ohne künstliche Zuckerzusätze gefunden wird. Unterm Strich stellt das einzige wirkliche Argument für Skyr der geschmackliche Unterschied dar. Freunde des „leicht Säuerlichen“ haben ab sofort eine Alternative zu Quark im Kühlregal stehen.

Ich für meinen Teil werde Skyr mit Sicherheit auch testen, den guten alten Quark wird Skyr in meinem Ernährungsplan aber nicht verdrängen können.

Sportliche Grüße
Holger Gugg

www.body-coaches.de


 

Bildquelle:

© Fotolia.com

Quellen:

https://www.arlafoods.de/uber-uns/presse/2015/pressrelease/islaendisches-traditionsprodukt-neu-entdeckt-arla-r-skyr-ab-juni-auch-in-deutschland-1167433/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2666378
https://www.na2w.de/glossary/view/212?language=en
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17618005
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https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23249742
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23922468

http://vegetarian.lovetoknow.com/Foods_that_Contain_Probiotics
https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/3020
http://stm.sciencemag.org/content/3/106/106ra106
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2184848