Bodybuilding & Muskelaufbau

Insulin-Index – Die übersehene Größe in der Sporternährung

Liebe Leserinnen und Leser, liebe PEAK-Kundinnen und Kunden,

Insulin Indexviele von Euch haben inzwischen sicher schon einen Blick in mein Ernährungssystem HBN (Human Based Nutrition) geworfen oder Bekanntschaft mit unserer dazugehörigen Supplement-Linie der HBN-Signatured-Series gemacht. Bei der Bewertung von Protein taucht ein Kapitel auf, welches letztlich sogar zur Konzipierung eines eigenen Supplements, des LII-Protein-Complex, geführt hat. LII steht dabei für Low Insulin Index. Wer sich nun fragt, was es damit auf sich hat, der tut dies zurecht, denn das Thema Insulin Index genießt in der Welt der Sporternährung noch immer ein Schattendasein. Der heutige Artikel soll diese Lücke schließen und wird erstmalig eine Liste mit der Bewertung von Lebensmitteln und deren Insulin-Index veröffentlichen, die mein Co-Redakteur Daniel Ebental und ich mühsam für Euch zusammengetragen haben.

Viel Spaß!

Blutzucker, Insulin, glykämischer Index (GI) und glykämische Last (GL)

Insulin sollte so ziemlich jedem von Euch ein Begriff sein, entweder in Verbindung mit Sporternährung oder aber in Bezug auf die Volkskrankheit Diabetes. Es handelt sich dabei um ein Hormon, welches aus den sog- b-Zellen der Bauchspeicheldrüse sezerniert wird und an etlichen Zellen unseres Körpers Andockstellen (Rezeptoren) findet, zu denen neben der Leber, den Muskelzellen und den Fettzellen auch Osteoblasten in den Knochen gehören. Sogar unser Gehirn hat Insulinrezeptoren, was bedeutet, dass es diesem Hormon möglich ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden,  bestimmte Signale zu vermitteln und Reaktionen in Gang zu setzen.

Für uns ist wichtig zu wissen, dass Insulin ein entscheidendes Bindeglied im Zucker- und Fettstoffwechsel darstellt. Seine Hauptaufgabe besteht in der Regulation des Blutzuckerspiegels und hier insbesondere in der Speicherung eines Blutzucker-Überaufkommens in allen Geweben, die dafür empfänglich sind. Neben dieser anabolen Aufgabe signalisiert ein hohes Aufkommen an Insulin dem Gehirn Sättigung. Viel Insulin bedeutet eine Reduzierung des Cortisolaufkommens, aber auch eine Hemmung der Lipolyse, also der Ausschleusung von Fettsäuren aus den Fettzellen (Adipozyten). Kurzum, Insulin hat die Aufgabe, anabole Vorgänge in Gang zu bringen und wird aus diesem Grund nicht umsonst als das anabolste Hormon in unserem Körper angesehen.

Die Abhängigkeit des Insulinspiegels vom Blutzuckeraufkommen ist vielen bekannt und ebenso viele haben sicher schon einmal etwas von der glykämischen Bewertung, dem glykämischen Index (GI) und der glykämischen Last gehört oder gelesen. Der glykämische Index lässt eine Bewertung der Kohlenhydratqualität zu, indem er den Blutzuckeranstieg von 50g Kohlenhydraten aus einem Lebensmittel innerhalb von zwei Stunden nach dem Verzehr bewertet und dafür einen bestimmten Index vergibt. Etwa 36% vom Ausmaß eines Anstiegs des Blutzuckers lässt sich so erklären. Weitere 57% ergeben sich aus der Menge eines verzehrten Kohlenhydrats. Beide Faktoren zusammen ergeben die glykämische Bewertung eines Lebensmittels über die glykämische Last (GL). Die glykämische Last bestimmt zu etwa 90% die postprandiale Glykämie, die restlichen 10% ergeben sich aus dem Eiweiß- und Fettgehalt von Mahlzeiten. Bis zu fünf Stunden nach einer Mahlzeit lässt sich ein direkt linearer Zusammenhang zwischen der Höhe der glykämischen Last und dem Verlauf der Blutzuckerkonzentration feststellen. Mit der glykämischen Last hat man so ein Werkzeug zur glykämischen Bewertung von einzelnen Lebensmitteln, aber auch von Mahlzeiten mit variablen Anteilen an Fett und Protein. Interessant ist nun, dass sich die Höhe der glykämischen Last über Stunden nach einer Mahlzeit ebenso dosislinear mit der Insulinkonzentration im Blut zeigt.

Je höher die glykämsiche Last einer Mahlzeit, desto mehr Insulin wird von der Bauchspeicheldrüse in den Kreislauf ausgeschüttet. Viele unsportliche Menschen mit falschen Ernährungsgewohnheiten haben Schwierigkeiten damit, dass die Insulinausschüttung umso höher ausfällt, je ausgeprägter die Insulinresistenz der bereits genannten Zielzellen ausfällt. Mit der Aufnahme raffinierter Kohlenhydrate kann ein Anstieg der glykämischen Last beobachtet werden.

Fazit

Auch wenn in letzter Zeit einiges an negativer Propaganda verbreitet wurde, handelt es sich bei der glykämischen Last nach wie vor um ein hervorragendes Mittel, mit der zum einen der Blutzuckeranstieg und zum anderen die daraus resultierende Insulinausschüttung bewertet werden kann.

 

Insulin-Index

Wir wissen also nun, dass Kohlenhydrate es sind, die den Blutzuckerspiegel zu 90% beeinflussen. Lediglich 10% der Blutzuckerbewegungen entfallen auf Protein und Fettsäuren, die wir aufnehmen. Wir wissen auch, dass als Reaktion auf ein erhöhtes Blutzuckeraufkommen in einem linearem Verhältnis Insulin ausgeschüttet wird und haben erfahren, wie es in unserem Körper wirkt.

Warum gibt es denn nun noch den Insulin-Index?

Die Antwort auf diese Frage versteckt sich in bestimmten Ausnahmen an Lebensmitteln, bei denen es, unabhängig von einem hohen Gehalt hochglykämischer Kohlenhydrate, zu einem beträchtlichen Insulin-Ausstoß kommt. Generell gehen Holt et al davon aus, dass zwischen der glykämischen Bewertung und dem Insulin-Index bei den meisten Lebensmitteln ein Gleichklang besteht. Sie beschreiben aber auch, dass es Ausnahmen gibt, bei denen diese Art von Linearität nicht besteht. In diese Kategorie der „Ausnahmen“ fallen vor allem Proteinträger wie Fleisch, Fisch sowie viele  Milchprodukte. Sie  lösen im Vergleich zum Blutzuckeranstieg eine wesentlich höhere Ausschüttung an Insulin aus, als diese aufgrund der  glykämischen Bewertung eigentlich zu erwarten wäre.

Wie unterschiedlich die Auswirkung auf das Blutzucker- und Insulinaufkommen ausfallen kann, zeigt eine Studie aus dem American Journal of Clinical Nutrition. Sie verglich den Einfluss bestimmter Lebensmittelgruppen auf den Blutzuckerspiegel und parallel auf das Insulinaufkommen.

In Hinblick auf Veränderungen des Blutzuckeraufkommens ergab sich folgende Rangfolge:

  1. Kohlenhydratreiche Lebensmittel
  2. Backwaren
  3. Snacks
  4. Obst
  5. Frühstücks-Cerealien
  6. Proteinreiche Lebensmittel

In Hinblick auf Veränderungen des Insulinaufkommens wurde folgende geänderte Reihenfolge gemessen:

  1. Snacks
  2. Backwaren
  3. Kohlenhydratreiche Lebensmittel
  4. Obst
  5. Proteinreiche Lebensmittel
  6. Frühstücks-Cerealien

Verarbeitete Lebensmittel erkämpfen sich in der Bewertung des Insulin-Index Spitzenplätze und landen vor reinen Kohlenhydratträgern. Während Obst seinen vierten Rang hält, tauschen proteinreiche Lebensmittel und Frühstücks-Cerealien die Plätze. Es konnte festgestellt werden, dass ein höherer Ballaststoffgehalt kein Garant für eine niedrige Insulinsekretion zu sein scheint. Stärkeanteile im Lebensmittel verhalten sich in Hinblick auf den Insulin-Index neutral. Proteinträger produzieren insgesamt die höchste Menge Insulin pro Gramm Kohlenhydrat, was eine eigenständige insulinogene Wirkung beweist. Letztlich berichteten die Forscher noch von einer signifikanten Individualität in Sachen insulinogener Reaktion bei der Aufnahme von Lebensmitteln, was nicht weiter verwunderlich ist, da wir bereits erfahren haben, dass die Insulinsensibilität der Zellen darüber mitentscheidet, wie viel Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet wird.

Fazit

Wer den Insulin-Index bei der Bewertung von Lebensmitteln außen vor lässt, wird in Sachen insulinogener Wirkung von Lebensmitteln nie ganz ins Schwarze treffen. Es bestehen gravierende Ausnahmen, die aus der Linearität zwischen den Aufkommen an Blutzucker und der Abgabe von Insulin ins Blut ausbrechen. Proteinträger bewirken pro enthaltenes Gramm Kohlenhydrat die höchste Ausschüttung von Insulin unter allen Lebensmitteln  --  ergo Protein fungiert als eigenständiger Initiator der Insulinproduktion.

Insulin Index

Warum gerade Protein?

Mit dieser Frage befasste sich eine Studie aus dem American Journal of Clinical Nutrition und fand heraus, dass Proteinträger, mehr oder weniger stark, zwei gastrointestinale Hormone beeinflussen, die ihrerseits in die Appetitregulation eingreifen und so auch die Insulinproduktion beeinflussen. Wie wir weiter oben erfahren haben, fungiert Insulin als sättigender Signalgeber. Die beiden Peptidhormone, um die es in diesem Zusammenspiel geht, nennen sich GIP (glukoseabhängiges insulinotropes Peptid) und GLP-1 (Glucagon-like-peptid-1).

GIP wird im Zwölffingerdarm insbesondere dann gebildet, wenn hohe Mengen Glukose, Fett, aber auch Aminosäuren im Dünndarm freigesetzt werden oder wenn ein niedriger ph-Wert im Dünndarm herrscht.

GLP-1 wird ebenfalls im Darm produziert und gelangt bei Nahrungsaufnahme in den Blutkreislauf. Dort wird neben einer Ausschüttung von Insulin auch die Hemmung des Insulin-Gegenspielers Glucagon ausgelöst.

Beide Hormone werden besonders stark mit der Aufnahme von Molkenprotein ausgeschüttet. Bei GLP-1 waren hohe Werte zudem mit der Aufnahme von Fisch und Milch zu beobachten. Andere Proteinträger lösten eine weitaus geringere Ausschüttung aus. Den besonderen Stellenwert von Molkenprotein und Milch führt man weder auf den Anteil an Milchfett oder Milchzucker zurück, sondern auf bioaktive Bestandteile im Milchprotein und die enthaltenen insulinogenen Aminosäuren (allen voran Leucin) zurück, welche besonders stark im Molkenanteil zu verzeichnen sind. Mit der gesamten Aminosäuresequenz in Molkenprotein sind höhere Anstiege zu erwarten, als diese von einzelnen Aminosäuren ausgehen.

Fazit

Der Einfluss auf zwei gastointestinale Hormone gilt als auslösender und entscheidender Faktor, weshalb auch Proteinträger unabhängig von deren Kohlenhydratgehalt Insulin auf den Plan rufen. Molkenprotein löst einen Insulinausstoß aus, der sogar stärker ausfällt als der von Weißbrot. Der insulinogene Effekt von Casein, dem zweiten Bestandteil in Milchprotein, wurde als weitaus geringer gemessen.

 

Interessant

Wer dieser Betrachtung immer noch wenig Aufmerksamkeit schenken möchte, da sich die dargelegten  Befunde auf alleinige Gaben an Protein und keine kombinierte Aufnahme von Nährstoffen beziehen, wie sie mit „üblichen“ Mahlzeiten stattfindet, der muss wissen, dass die kombinierte Aufnahme von Kohlenhydraten und Protein zwar das Blutzuckeraufkommen gesamt etwas reduziert, aber die Insulinantwort im Vergleich zur alleinigen Aufnahme von Kohlenhydraten höher ausfallen lässt. Auch die gleichzeitige Aufnahme von Kohlenhydraten und Fett vermindert die Insulinausschüttung nicht, sondern verhält sich im besten Fall neutral, auch wenn auch hier das Aufkommen an Blutzucker etwas gesenkt wird.

 

Fazit

Proteinträger produzieren eigenständig Insulin. Sie tun dies bei alleiniger Gabe, aber auch bei einer kombinierten Aufnahme mit anderen Lebensmitteln.

 

Was passiert danach?

Spielen wir das Spiel einmal zu Ende. Nehmen wir eine größere Menge Molkenprotein zu uns, dann sorgt dies für eine sehr hohe Ausschüttung an Insulin. Kommen gleichzeitig keine Kohlenhydrate aus der Nahrung mit ins Blut, dann müsste die logische Folge daraus eine hoffnungslose Unterzuckerung (Hypoglykämie) sein, da der Insulinüberschuss die vorhandene Glucose wie ein Rammbock in die Zellen stopfen würde und in der Tat gibt es etliche Erfahrungsberichte, die beispielsweise mit der Aufnahme von BCAA über eine leicht einsetzende Hypoglykämie nach etwa 30 Minuten klagen. Dieser Effekt ist genau DARAUF zurückzuführen.

Natürlich erkennt unser Körper (sofern er gesund ist) dieses Missverhältnis und reagiert darauf kompensatorisch mit der Ausschüttung von Glucagon. Dies geschieht ebenfalls aus der Bauchspeicheldrüse heraus, dieses Mal aber aus den a-Zellen. Bei Glucagon handelt es sich um den Gegenspieler von Insulin, der dafür sorgt, dass die tatsächlich aufgetretene Insulinspitze wieder zu ihrem Ausgangswert zurückkehrt und sich wieder ein Gleichgewicht sowie ein normaler Blutzuckerspiegel einstellt.

Unterm Strich finden all diese Regulationsmechanismen recht zügig statt. Trotzdem ist eine Beeinflussung des Hormonaufkommens im Blut mit all seinen Konsequenzen gegeben und JETZT sind wir an dem Punkt, an dem es gilt, die Theorie wieder mit der Praxis zu verbinden.

Insulin-Index in der Praxis

Mit dem neuen Wissen über eine kohlenhydrat-unabhängige Beeinflussung des Insulinaufkommens kann man nun auf völlig neue Art und Weise in seine Ernährungsplanung und vor allem in das Timing und in die Auswahl von Proteinträgern einsteigen.

Wer es auf eine Maximierung anaboler Vorgänge im Körper zu jeder Tageszeit abgesehen hat (wovon ich abrate, egal welche Zielsetzung gerade angestrebt wird), kann neben dem Einsatz von Kohlenhydraten mit hoher glykämischer Last zudem auf Proteinträger mit hohem Insulin Index zurückgreifen. Der Effekt wird immens sein!

Bei wem die Körperfettreduzierung an oberster Stelle steht, der sollte das Aufkommen an Insulin tunlichst aufgrund seines Lipolyse-hemmenden Effekts meiden. Dieser Aspekt ist übrigens besonders auch in Hinblick auf eine ketogene Diät für alle interessant, die den Kohlenhydraten zugunsten der Ketonkörperbildung komplett abschwören. Auch hier könnte die Berücksichtigung des Insulin-Index nochmals eine Optimierung herbeiführen.

Letztlich berücksichtige ich den Insulin-Index natürlich auch im Rahmen meiner Vorgaben in meinem Ernährungssystem HBN (Human Based Nutrition) und jetzt wird denke ich vielen Leserinnen und Lesern der Nutzen unseres LII-Protein-Complex nochmals ein gutes Stück klarer. Der LII-Protein-Complex eignet sich für die Aufnahme von Protein in Verbindung mit einem minimalen gleichzeitigen Aufkommen an Insulin, also perfekt für Zwischenmahlzeiten oder auch das Frühstück.


Resümee

Ich wünsche Euch allen viel Erfolg bei der Einbindung der neuen Erkenntnisse in Eure persönliche Ernährungsplanung.

Sportliche Grüße

Euer Holger Gugg

www.body-coaches.de