Bodybuilding & Muskelaufbau

Doping mit Wachstumshormonen – Wirklich unschlagbar? – Teil 2

Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Peak-Kundinnen und Kunden,

HGHin Teil 1 habe ich einen, wie ich denke, nicht ganz uninteressanten Einblick in die Ausführungen zur Verwendung von exogenem Wachstumshormon gewährt, wie er im Buch „Anabole Steroide – Das schwarze Buch“ veröffentlicht wurde. Abgesehen von der Tatsache, dass die Autoren für volle Effektivität die Notwendigkeit einer Verwendung von 4 exogenen Substanzen (Wachstumshormon, Schilddrüsenhormon, Insulin und Testosteron) vorsehen, klingt das, was man sich allem Anschein nach davon erhoffen darf, doch recht euphorisch. Wie es scheint heißt es in Verbindung mit der Verwendung von Wachstumshormon „ganz oder gar nicht“, es sei denn, man möchte es „nur“ für eine etwas verbesserte Fettverbrennung einsetzen. Auch zur längeren Anwendung wird angeraten, da sich die echten Effekte erst binnen einiger Wochen einstellen. Heute möchte ich die Ergebnisse einer aktuellen Studie von Hermansen et al vorstellen, in welche Daten aus insgesamt 11 wissenschaftlichen Arbeiten und 224 Probanden geflossen sind. Alle befassten sich mit dem Einfluss einer Verabreichung von Wachstumshormon bei jungen gesunden Erwachsenen. Bekommen wir heute alle Effekte, die im schwarzen Buch genannt wurden, bestätigt oder zeigt sich ein völlig anderes Bild? Finden wir es heraus…!
 

Einleitung

Die illegale Nutzung von Wachstumshormon bei Elite- aber auch Freizeitsportlern ist wahrlich keine Seltenheit. Aus Umfragen geht hervor, dass zwischen 3,5 und 5% aller College-Athleten regelmäßig mehrere Milligramm Wachstumshormon entweder täglich oder aufgeteilt auf mehrere wöchentliche Gaben zur Anwendung bringen. 25% der Anwender berichten über die zeitgleiche Verwendung anaboler, androgener Steroide (18). Gab es 2006 noch Probleme mit dem zweifelsfreien Entlarven von GH-Dopingsündern (1) stellt dies, mehr als 10 Jahre später, kein Problem mehr dar und gehört standardmäßig zum Test-Repertoire des IOC (4).

Anmerkung: Doping wird im Bodybuilding auf nationalem und teilweise auch auf internationalem Niveau bis dato nur in wenigen Ausnahmen wirklich kontrolliert !

Dopingprobe

Aus Studien an Menschen, die unter physiologisch erniedrigtem Aufkommen an Wachstumshormon leiden, gehen eindeutig positive Effekte einer exogenen Verabreichung hervor, inklusive einer verbesserten aeroben Kapazität und mehr Muskelvolumen (2), während zumindest in der Meta-Analyse von Rubeck et al (3) signifikante Effekte auf Muskelkraft ausblieben. Der Verabreichungszeitraum der involvierten Studien lag im Bereich von 3 bis 12 Monaten. Was eintrat, war mitunter eine Normalisierung erniedrigter IGF-1-Level, wie sie in Placebo-Gruppen festgestellt wurden.
Positive Veränderungen einer Verwendung von Wachstumshormon bei GH-Mangel sind sicher eine tolle Sache, sagen jedoch genau genommen nichts darüber aus, wie es sich verhält, wenn Wachstumshormon bei einem eigentlich normalen physiologischen Spiegel verabreicht wird.

Die Studie

Involvierte Untersuchungen in besagte Arbeit von Hermansen et al waren alle selbstverständlich Humanstudien, randomisiert, doppelblind und Placebokontrolliert. Alle Teilnehmer wurden hinsichtlich des Wachstumshormonaufkommens als für gesund befunden. Sie waren über 18 und unter 45 Jahre alt. Alle Arbeiten werteten spezifische Daten zur Körperzusammensetzung, muskulären Eigenschaften sowie der Übungskapazität aus und hielten zudem Hinweise zu Veränderungen des Stoffwechsels bereit. Nachteilig sicher hier zu bemerken, dass zwei der involvierten Studien lediglich die Veränderungen einer einzelnen GH-Injektion untersuchten. Bei den sonstigen Arbeiten betrug die Anwendungsdauer mit 2 bis 12 Wochen leider auch nicht den Bereich, wie er im Sport als Doping gang und gäbe ist. Es wurden im Mittel 36,5mcg pro Kilogramm Körpergewicht subkutan verabreicht. Ausgehend von einem 80kg Athleten wären dies umgerechnet 2,9mg und damit etwa 8,7, IU was in der Szene durchaus als moderate bis sogar hohe Menge angesehen würde (5).

Die Ergebnisse

Sehr interessant ist nun an dieser Stelle die Auswertung bezüglich Veränderungen der Körperzusammensetzung und des Flüssigkeitshaushaltes.

Anmerkung: Wie wir wissen, bedeutet LBM-Anstieg nicht gleich Muskelmasseanstieg. Wie in Teil 1 bereits gelesen, weiß man von Wachstumshormon auch aus der Praxis um eine stärkere Wasserretention.

Wie beigefügte Darstellung zeigt, erhöhte die Verabreichung von Wachstumshormon das Körpergewicht und etwas stärker noch den Anteil fettfreier Masse (LBM). Abzüglich angestiegener Werte bei extrazellulärem und auch intrazellulärem Wasser verbleibt nur eine statistisch unbedeutende Zunahme an BCM (Muskelmasse) von 0,9kg, dafür verringerte sich der Fettmasseanteil signifikant um durchschnittlich 1,22kg.
 
Hinsichtlich des Fettstoffwechsels wurden akut mehr Glycerin und freie Fettsäuren nach Verabreichung von Wachstumshormon verglichen mit Placebo im Blut gemessen. Auf Seiten der Verstoffwechslung kam es jedoch NICHT zu einer erhöhten Lipidoxidation.
 
Aus allen verfügbaren Daten ließ sich ableiten, dass die Verabreichung von Wachstumshormon keinerlei signifikanten Einfluss auf Kraftwerte ausübt und auch die Sauerstoffaufnahme sowie die aerobe Leistungserstellung blieb in einem größeren Teil involvierter Untersuchungen von der Verabreichung unberührt.

Fazit
Fürs Erste ernüchternde Ergebnisse. Kein großer Muskelzuwachs, kein Stärkezugewinn, keine bessere Performance und eine erhöhte Lipolyse, hinter der aber keine vermehrte Fettverbrennung steht – schlechter geht nicht!

Doping mit HGH - Gar nicht so effektiv wie gedacht?

Diskussion

Der Studie lässt sich zunächst trotz des ernüchternden Fazits entnehmen, dass die Verabreichung von Wachstumshormon auch bei gesunden Probanden Effekte hervorruft. Ein auf den ersten Blick merklicher Anstieg bei fettfreier Masse  zeigt sich bei genauem Hinsehen weniger als echter Zuwachs von Muskelmasse, sondern viel mehr als Flüssigkeitsretention, begleitet von einem nur sehr kleinen Teil echter Muskelmasse (6). Ein merklicher Effekt ist ein Anstieg der Lipolyse, gemessen über ein vermehrtes Aufkommen von Glycerin und freien Fettsäuren im Blut (7). Leider wurde die vermehrte Ausschleusung von Triglycerid-Bestandteilen nicht begleitet von einer vermehrten Fettoxidation. Hansen et al (9) schließen einen merklichen Effekt auch in Verbindung mit sportlicher Aktivität (aerobes Training) aus, weshalb man zunächst von lipolytischen Effekt rein gar nicht zu profitieren scheint. Zu allem Übel berichten zwei der involvierten Studien von einer Zunahme des Plasma-Laktat-Spiegels (9, 10), was sich letztlich auch für die anaerobe Energiebereitstellung nachteilig auswirken könnte (11). Hierzu gibt es jedoch auch gegenläufige Ergebnisse, wie die von Meinhardt et al (13), die von einer signifikanten Leistungsverbesserung dank Wachstumshormon im Wingate-Test berichten. Unklar ist bis heute, ob sich erhöhte Laktatwerte rein aus dem Muskelstoffwechsel ergeben, oder auf eine schlechtere Lactat-Clearance zurückzuführen sind (12).
Interessant wird es nochmal bei Meinhardt et al (13), aber auch Sönksen (14), denn genau hier treffen sich nun die Teile 1 und 2 dieses Beitrags. Die Rede ist von synergetischen Effekten, ausgehend von einer kombinierten Verabreichung von Wachstumshormon mit anabolen, androgenen Steroiden, die einerseits eine erhöhte Androgen-Rezeptor-Genexpression aber auch ein erhöhtes Aufkommen an Muskel-IGF-1-mRNA und in der Folge daraus eine verbesserte Körperzusammensetzung hervorruft. Begleitet von einer besseren Performance und einer schnelleren Regeneration mitunter via beschleunigter Kollagensynthese sehen die Effekte hier also schon deutlich anders aus (15,16,17).  
Wer Wachstumshormon über längere Zeit exogen zur Anwendung bringt, riskiert eine eintretende Insulinresistenz sowie eine vermehrte Ansammlung von Flüssigkeit, die nicht selten in Ödemen, Karpaltunnelsyndrom, Gelenkschmerzen (Arthralgie) oder Muskelschmerzen (Myalgie) mündet. Der langfristige Gebrauch erhöht zudem das Risiko auf Schlafapnoe, Bluthochdruck, Osteoarthritis oder Kardiomyopathie (Erkrankung des Herzmuskels) (18).

Resümee
Sportler und Wissenschaftler sind sich einig: „Wachstumshormon funktioniert in Sachen verbesserte Performance und Muskelaufbau besser wenn es mit anabolen, androgenen Steroiden kombiniert wird.“ Als unklar gilt nach wie vor, inwieweit Wachstumshormon, anabole, androgene Steroide oder bestimmte Trainingsmethodiken tatsächlich in der Lage sind Hyperplasie, also eine Vermehrung statt nur einer Verdickung der vorhandenen Muskelzellen auszulösen (19). Wer vor hat die Lipolyse voranzutreiben, kann dies auch ohne begleitende Verabreichung anderer Substanzen bewerkstelligen, steht jedoch vor der Aufgabe freigesetzte Fettsäuren auch tatsächlich zu verbrennen, da dies wie es scheint in vermehrtem Ausmaß von Wachstumshormon alleine (anders als in Teil 1 behauptet) nicht stattzufinden scheint. Während ein kombinierter Einsatz mit anabolen, androgenen Steroiden gebräuchlich und auch sinnvoll in Bezug auf Effektivität zu sein scheint, findet sich in aller gesichteten Literatur kein zusätzlicher Nutzen einer Verwendung von aktivem Schilddrüsenhormon T3. Auch die parallele Verwendung mit Insulin taucht nur am Rande auf. Hier ist anzunehmen, dass sich ausreichend Insulin für die IGF-1-Bildung über die Verabreichung von Kohlenhydraten zu richtigen Zeit in der richtigen Menge und Beschaffenheit bereitstellen lässt.

 

Abschließend lassen sich aus beiden Quellen folgende Key-Points zusammenfassen:
?    Wachstumshormon für Muskelaufbau und Performance funktioniert nur bei paralleler Verwendung von AAS
?    Parallele Verwendung von Schilddrüsenhormon ist nicht wie behauptet zwingend erforderlich, da schlecht bis gar nicht dokumentiert (Im Zweifelsfall T3-Wert regelmäßig bestimmen)
?    Parallele Verwendung von Insulin ist nicht wie behauptet zwingend erforderlich, da schlecht bis dar nicht dokumentiert (Ausgleich des Insulinbedarf über Verabreichung von Kohlenhydraten)
?    Wachstumshormon als Fatburner funktioniert nur mit begleitender verstärkter körperlicher Aktivität im aeroben Bereich und es besteht die Gefahr einer eintretenden Insulinresistenz!

Die Forschung zeigt, dass Wachstumshormon ohne Steoride keinen durchschlagenden muskelaufbauenden Effekt hat.

Gesamtfazit

Alles in Allem ist Wachstumshormon keinesfalls das Wundermittel, als welches es häufig angepriesen wird. Ohne einen begleitenden Konsum von ebenso nebenwirkungsbehafteten anabolen/androgenen Steroiden verpufft der muskelaufbauende Effekt sogar nahezu. Auch darf Wachstumshormon nicht per se als starker Fatburner angesehen werden, der körperliche Aktivität ersetzen kann. Ohne einen gleichzeiten Verbrauch aus aerober körperlicher Belastung wird keinerlei Fettoxodation stattfinden und der auch der lipolytische Effekt verpufft somit.

Kosten, Nutzen und vermeintliche Nebenwirkungen scheinen also bei einem Gebrauch von Wachstumshormon in einem schlechten Verhältnis zu stehen, weshalb von einer Verwendung abzuraten ist!

 

Holger Gugg MusikSportlicher Gruß
Holger Gugg
www.body-coaches.de

 

 

 

 

 

 

Quellen
(1)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2657499/
(2)
refhub.elsevier.com/S1096-6374(17)30038-2/rf0015
(3)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19508603
(4)
https://www.wada-ama.org/sites/default/files/resources/files/wada-2016-prohibited-list-german.pdf
(5)

(6)
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3109/00365519509075396
(7)
https://academic.oup.com/edrv/article-lookup/doi/10.1210/er.2008-0027
(8)
http://jap.physiology.org/content/96/2/747
(9)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1474222/
(10)
https://academic.oup.com/jcem/article-lookup/doi/10.1210/jc.2001-011797
(11)
https://link.springer.com/article/10.2165%2F00007256-200333060-00003
(12)
https://link.springer.com/article/10.2165%2F00007256-200333060-00003
(13)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20439575
(14)
http://www.growthhormoneigfresearch.com/article/S1096-6374(09)00044-6/abstract
(15)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24081158
(16)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2821728/
(17)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15998337
(18)
https://www.nature.com/nrendo/journal/v3/n3/full/ncpendmet0429.html
(19)

Bildquellen:

fotolia.com