Wir erleben eine wachsende Bewegung weg von tierischen, hin zu pflanzlichen Lebensmitteln die je nach Ausprägung als Vegetarismus oder Veganismus bezeichnet wird.
Auch in vielen Köpfen die sich nicht per se komplett fleischlos ernähren möchten kursiert zumindest der Gedanke an eine Einschränkung des Fleischkonsums, weshalb mehr und mehr das Thema Soja auf den Plan gerufen wird.
In der Sportler-Szene kursieren Gerüchte über Gefahren ausgehend von in Soja enthaltenen Phytoöstrogenen und sog. antinutritiven Substanzen die sogar körpereigene Hormonstände wie Testosteron oder Schilddrüsenhormon aus dem Gleichgewicht bringen können.
Aussagen wie diese schaffen Verunsicherung, weshalb sich dieser 2-Teiler mit den Pros- und Contras von Soja befasst.
Soja
Wenn von Soja die Rede ist meint man damit Produkte die aus der Sojabohne hergestellt wurden oder diese enthalten. In Ostasien kennt man die Sojabohne schon mehr als 10.000 Jahre (1).
Erst im 17. und 18. Jahrhundert hielt die Sojabohne Einzug in Europa und hat sich inzwischen zu einer der wichtigsten Rohstoffpflanzen entwickelt (2). Heute findet man Soja in etlichen Lebensmitteln, auch in solchen in denen man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde. Weltweit stieg die Produktion von Sojabohnen 2016 / 2017 auf 351 Millionen Tonnen an.
Nur ein kleiner Teil davon wird heutzutage noch zur Herstellung klassischer Soja-Lebensmittel wie Tofu, Tempeh, Sojamilch oder Sojasauce eingesetzt. Ein Großteil wird zu Sojamehl und Sojaöl verarbeitet und so mitunter in der Tierzucht als Futtermittel aber auch industriell beispielsweise als Biokraftstoff verwendet. Nur ein sehr kleiner Teil aller Sojabohnen dient der Herstellung von Proteinkonzentraten (3).
Das Ausmaß der Produktion hat dafür gesorgt, dass zu Soja etliche Studien durchgeführt wurde die nicht selten die Sojaindustrie finanziert hat.
Sojabohnen – DAS ist drin
Kalorien und Makros
Die Sojabohne zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Protein aus, enthält aber auch einen nicht unerheblichen Anteil an Kohlenhydraten und Fett, weshalb mit der Deckung eines relevanten Anteils an der Proteinversorgung aus Soja auch immer die Kohlenhydrat- und Fettbilanz gefüttert wird. Für 36 g Protein aus magerem Fleisch (am Beispiel Putenbrust) muss man im Vergleich nur gut 180 Kalorien und nicht 446 Kalorien wie bei Soja zu sich nehmen. Ein Überschuss der gerade bei Sportlern die sich High-Protein und dennoch kalorienbewusst ernähren ein echtes Problem darstellen kann.
Der Kohlenhydratanteil der Sojabohne setzt sich aus Glucose, Fructose als Einfachzucker, aus Saccharose und einem dominanten Anteil an Stärke zusammen. Enthaltene Ballaststoffe stammen zu gleichen Teilen aus wasserlöslichen und wasserunlöslichen Vertretern. Pro 10 g Protein aus Sojabohnen nimmt man knapp 5 g essentielle Aminosäuren zu sich. Dieser Wert entspricht in etwa dem von Fleisch (am Beispiel Putenbrust).
Die biologische Wertigkeit des gesamten Proteinanteils der Sojabohne wird mit einem hohen Wert von 84 – 86 Zählern angegeben.
Der Herrenanteil enthaltener Fettsäuren stammt aus mehrfachungesättigten Fettsäuren mit dem größten Vertreter Linolsäure. Das Verhältnis der Aufnahme pflanzlicher Omega 3 zu Omega 6 Fettsäuren beträgt bedenkliche 1:7!! (4)
Interessant
Neben der reinen Menge enthaltener Aminosäuren macht es Sinn sich zudem die Aminosäure-Matrix anzusehen. Verglichen mit dem Master Amino Pattern wie es in HBN EAA CODE Verwendung findet zeigen sich durchaus relevante Abweichungen und damit Einbußen bei der Qualität die limitierende Aminosäure betreffend.
Aminosäuren | Sojaprotein | HBN EAA Code |
Isoleucin | 135,78 | 148 |
Leucin | 197,67 | 196 |
Lysin | 233,79 | 143 |
Methionin | 71,24 | 70 |
Phenylalanin | 103,83 | 129 |
Threonin | 108,83 | 111 |
Tryptophan | 21,55 | 37 |
Valin | 127,72 | 166 |
1000 | 1000 |
Weiterführende Informationen zu diesem Thema findet ihr hier:
Nährstoffgehalt von Sojabohnen.
Fazit
Sojabohnen enthalten für ein pflanzliches Lebensmittel hohe Mengen an Protein welches zugleich mit einer hohen biologischen Wertigkeit angegeben wird. Problematisch gestaltet sich der, verglichen mit tierischen Proteinquellen, hohe Kaloriengehalt pro Gramm aufgenommenes Protein. Bei Fettsäuren muss insbesondere das schlechte Verhältnis der Aufnahme von Omega 6 zu Omega 3 Fettsäuren herausgestellt werden.
Anti-Nährstoffe
Sojabohnen enthalten hohen Mengen sog. Anti-Nährstoffe. Diese sind dafür bekannt die Verdauung und Aufnahme von Protein, Vitaminen und Mineralstoffen zu hemmen (5).
Zur Gruppe der Anti-Nährstoffe zählen beispielsweise Tannine, Phytate und Trypsin-Inhibitoren.
Der Vorteil für den Verbraucher ist die hohe Anfälligkeit dieser Substanzen für Einflüsse bei der Herstellung von Sojaprodukten. So sorgt reines Einweichen der Bohnen für 12 bis 14 Stunden bereits für eine deutliche Reduzierung des Tannin-Gehalts um 50 %, während Phytate und Trypsin-Inhibitoren sich damit nicht reduzieren lassen (6).
Anti-Nährstoffgehalt von Sojabohnen und daraus gewonnenen Produkten.
Wird während dem Einweichen (9 Stunden) noch Backpulver dazu gegeben reduziert dies den Gehalt an Tanninen um 68 %, an Trypsin-Inhibitoren um 30 % und an Phytaten um 21 %. Gleichzeitig erhöht sich damit die Verdaulichkeit des Proteinanteils der Sojabohne (7).
Einweichen und Kochen sorgt für eine Reduzierung des Tannin-Gehalts um 100 % sowie des Gehalts an Trypsin-Inhibitoren um 82 % während Phytate davon nicht beeinflusst werden (6).
Wird die Sojabohne im Laufe der Weiterverarbeitung zur Gärung mit Pilzstämmen oder Bakterien in Verbindung gebracht reduziert dies weiter den Gehalt an Phytaten ohne das Aufkommen an Trypsin-Inhibitoren weiter zu senken. Nicht gegorene Sojabohnen dienen der Herstellung von Sojamilch die vor dem Verzehr häufig gekocht wird.
Das einmalige zum Kochen bringen unbehandelter Sojamilch reduziert das Aufkommen an Trypsin-Inhibitoren bereits um 43 %. 10 Minuten kochen erhöht den Wert auf 89 % und nochmals 10 weitere Koch-Minuten sorgen für eine Reduzierung um sogar 95 %.
Wird aus behandelter oder nicht behandelter Sojamilch Tofu hergestellt, sorgt der Gerinnungsvorgang für eine Reduzierung des Trypsin-Inhibitor-Aufkommens um 51 % (8).
Wird aus gekochten Sojabohnen schließlich Sojamehl oder Proteinpulver hergestellt sorgt das Mahlen und Rösten für eine Reduzierung von Trypsin-Inhibitoren um 98 %, von Phytaten um 78 % und von Tanninen um 75 % (9). Analysiert man Sojaproteinkonzentrate und Sojaproteinisolate bestätigen sich diese Angaben (10).
Interessant
Seidentofu enthält dank des besonderen Herstellungsverfahrens wesentlich mehr Anti-Nährstoffe als herkömmlicher Tofu (8).
Fazit
Sojabohnen enthalten hohen Mengen an Substanzen die sich negativ auf die Verdauung und Aufnahme anderer Nährstoffe auswirken. Unterschiedliche Behandlungsschritte sorgen für Deaktivierung mindestens eines Teils dieser Substanzen. Sojamilch und auch Sojaproteinkonzentrate enthalten nur noch einen Bruchteil der Anti-Nährstoffe roher Sojabohnen.
Phytoöstrogene / Isoflavone
Bekannt ist, dass sich in Sojabohnen auch nennenswerte Mengen an sog. Phytoöstrogenen wiederfinden. Diese sekundären Pflanzenstoffe besitzen strukturelle Ähnlichkeit mit dem körpereigenen Hormon Östrogen, können so an dessen Rezeptoren andocken und sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine entweder östrogene oder auch antiöstrogene Wirkung auslösen (mehr dazu in Teil 2).
Isoflavongehalt von Sojabohnen und Sojaprodukten.
Zur Substanzgruppe der Phytoöstrogene zählen die sog. Isoflavone. Bei Soja findet man hier wiederum primär die Vertreter Genistein und Daidzein. Beide macht man für einige der gesundheitlichen Auswirkungen von Soja verantwortlich (12).
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Aufkommen an Equol. Es handelt sich dabei um eine durch die Darmflora aus Daidzein metabolisierte, ebenfalls stark östrogene Verbindung (13, 14). Hinweise deuten an, dass die Beschaffenheit der Darmflora darüber entscheidet wie viel Equol aus aufgenommenem Daidzein gebildet wird und welche Effekte daraus im weiteren Verlauf hervorgehen (15, 16).
Phytoöstrogengehalt in verschiedenen Lebensmitteln.
Vergleicht man die stark sojabasierte Kost in Japan und China mit der typisch westlichen Ernährung fällt auf, dass die Isoflavon-Aufnahme sich sogar um den Faktor 25 bis 50 potenziert (Aufnahme 1 mg bzw. 25 – 50 mg) (17, 18).
Auch geographische Herkunft, Anbau, Lagerung und Verarbeitung der Sojabohne beeinflussen den echten Isoflavon Gehalt eines Lebensmittels stark, weshalb die oben angeführten Tabellen nur als grobe Richtwerte zu verstehen sind die aufzeigen, welches Lebensmittel viel oder wenig Isoflavone enthält (19).
Fazit
Isoflavone docken als sog. Phytoöstrogene an den Östrogenrezeptor und vermitteln so zwar ein schwächeres aber dennoch vorhandenes Signal. Die spezifische Hormonkonstellation entscheidet ob hierüber nun ein pro-östrogenes oder anti-östrogenes Umfeld geschaffen wird.
Resümee
Die rohe Sojabohne zeichnet sich durch einen hohen Kaloriengehalt, einen hohen Proteingehalt, eine nicht unrelevante Menge an antinutritiven Substanzen und auch Phytoöstrogenen aus.
Wer vor hat einen gewissen Anteil seiner Proteinbilanz durch Sojaprotein zu decken muss immer die Gesamtkalorienbilanz aber auch die Verteilung aufgenommener Omega-Fettsäuren im Auge behalten.
Im Laufe der Herstellung sojahaltiger Lebensmittel durchläuft die Sojabohne Verarbeitungsschritte die einen mehr oder weniger großen Anteil der antinutritiven Substanzen deaktiviert. Auch der Phytoöstrogen-/Isoflavon Gehalt variiert je nach fertigem Lebensmittel, weshalb generell Soja nicht gleich als Soja bewertet werden darf.
Was sich hinsichtlich enthaltener Phytoöstrogene / Isoflavone spezifisch zu Proteinkonzentraten auf Sojabasis sagen lässt wird in Teil 2 thematisiert. Hier geht es zudem um gesundheitliche Aspekte des regelmäßigen Sojaverzehrs und natürliche die Frage ob auch Sportler bedenkenlos mit Soja arbeiten können oder nicht.
Sportliche Grüße
Holger Gugg
www.body-boaches.de
Quellen
(1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22073186
(2) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20235891
(3) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7884536
(4) https://www.vitamine.com/lebensmittel/sojabohnen/
(5) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8142044
(6) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0260877402002625
(7) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11075376
(8) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9505242
(9) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0189724115300801
(10) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7884537
(11) https://examine.com/nutrition/is-soy-good-or-bad/
(12) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26565435
(13) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26638886
(14) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12468591
(15) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22366740
(16) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27547393
(17) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16965235
(18) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22510793
(19) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12822960